Magisch, dunkel und wie ein Lied — außergewöhnlicher fantastischer Roman auf Basis der Rattenfänger-Legende
Die alte Sage vom Rattenfänger von Hameln hat uns schon immer in Bann geschlagen. Dieser rundum gute, spannende Abenteuer-Roman für Kinder ab etwa 11 Jahren hat aus dieser Geschichte viel, viel mehr gemacht. Eine Geschichte von Hogwarts-Größe, in dem Lieder magische Kraft haben und Flöten die Zauberstäbe ersetzen. Nordirische Erzählkunst, die junge Leser in Bann schlägt.
Die Pfeifer, die mit ihren Flöten Magisches bewirken können, sind hier eine eigene Gilde, die in verschiedenen Sparten ausbilden. Es gibt eine eigene Schule, die Pfeifer unterrichtet, einen eigenen Codex und auch ein eigenes Gericht, das über Pfeifer auf Abwegen streng urteilt. Verschiedenste Lieder bewirken verschiedenste Zauber, manche von ihnen sind so stark, dass sie nicht ohne strenge Überwachung ausgeführt werden dürfen oder gar verboten sind. Manche Pfeifer sind durchschnittliche und gute „Arbeiter“. Einige sind außergewöhnlich begabt. Und damit brillant oder aber gefährlich.
Die Story spielt etwa 10 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen in Hameln. Klar ist, dass der Rattenfänger von Hameln gegen den Ehrenkodex der Pfeifer-Gilde verstoßen hat, als er aus Rache die Kinder entführte. Tatsache ist, dass er ein verbotenes Lied gespielt hat, das in seiner Magie so stark ist, dass es nicht angewendet werden darf. Nun ist er im tiefsten Verlies von Tiviscan, der Festung, die als Zentrum der Pfeifergilde gilt, eingesperrt. Vermeintlich sicher.
Dies ist der Hintergrund, auf dem die jungen Leser dem fröhlichen, begabten, derzeit aus der Schule flüchtigen, jungen Flötenschüler Flick und seiner Geschichte folgen, die merkwürdig genug beginnt. Der Junge hat sein Gedächtnis verloren, als er in einem von Ratten geplagten Dorf eintrifft. Dort wird er als der bestellte Rattenfänger mit Jubel empfangen. Bei dem Versuch den Menschen des Dorfs zu helfen, geschieht jedoch ein schlimmes Missgeschick. Auch Flick wendet ein Lied an, dass er nicht spielen dürfte. Zeitgleich freundet er sich mit einer Ratte an, die tatsächlich eine verzauberte Tochter aus reichem Hause ist — zumindest behauptet sie das. Sie wird diejenige sein, die Flick zur Seite steht, als das Gericht der Pfeifer auch ihn zu Haft verurteilt. Lebenslanger Haft, was recht übertrieben scheint, einem ungehörigen Schüler gegenüber. Der Kerker ist grauenvoll, doch in Flicks Nachbarzelle hält sich ein geheimnisvoller Mann auf, bei dem es sich just um jenen sagenumwobenen Rattenfänger handeln soll. Da dieser damals nicht nur Menschen- sondern auch Drachenkinder entführt hat, sieht sich Burg Tiviscan plötzlich einem verheerenden Angriff von Drachen gegenüber, welcher Flick jedoch im Getöse aus seiner Gefangenschaft befreit. Ein schreckliches Geheimnis, das er im letzten Moment von dem geheimnisvollen Mann aus seiner Nachbarzelle erfährt, nimmt er in die neu gewonnenen Freiheit mit. Seine Rattenfreundin Rena und der verletzte Drachengreif Barber sind von nun an seine treuen Begleiter.
Eine abenteuerlich, glaubhaft gewobene Geschichte, in der es neben aller Fantastik vor allem um Freundschaft, Treue und den ganz speziellen Zauber geht, den Musik über uns alle bringt…, was manchen Schrecken durch das Wertvollste ersetzt, das wir haben: unser Miteinander
S.A. Patrick: DIE DUNKELHEIT DER DRACHEN
Gulliver. Beltz & Gelberg. 2020. Aus dem Englischen von Anne Emmert. 366 Seiten. ISBN: 978-3-407-74995-6. Ab 11 Jahren