Quendel (2) Windzeit, Wolfszeit

Für junge Liebhaber fantastischer Erzählungen. Ab 14 Jahren

Lesetipp für die Zeit um Halloween

© Ueberreuter Verlag

Der Winter ist die richtige Zeit, in einem solchen Werk zu schmökern: der unglaublichen, fantastisch erzählten Geschichte des Volks der Quendel. Hobbitähnliche Wesen sind diese Quendel, die im Großen und Ganzen friedlich in einem Tal mit mehreren Ortschaften zusammen leben, in dem nur noch Ruinen und Legenden an die Menschen erinnern — das große Volk, das hier auch einst gelebt haben muss. Wir Menschen sind fast nur noch eine Erinnerung, von der Alt und Jung im Hügelland sich wohlig gruselnd an den abendlichen Kaminfeuern erzählen. Was genau geschehen ist, bleibt noch im Dunkel. Woran sich die Quendel deutlich besser erinnern — vor allem seit Teil 1 des Werks — sind die Geschichten der Anderswelt mit ihren grauenerregenden Gestalten, die von Alters her in den Sagen der Rauhnächte auftauchen. Alljährlich feiern die Quendel das Bäumelburger Maskenfest, bei dem sie selbst den alten Spuk mit Masken und Feuerillusionen wieder aufleben lassen. Dieses Jahr feiern sie das Fest ausgiebiger und pompöser denn je — allen warnenden Stimmen zu Trotz (oder doch wegen ihnen?), die vor allem von jenen kommen, die (in Band 1 der Saga), bereits am Ende des Sommers grauenerregende Entdeckungen gemacht haben. Der Schleier zwischen der Alltagswelt und der Anderswelt scheint sich zu lüften. All die Geschichten und Gestalten der Wilden Jagd fußen wohl nicht in der Fantasie, sondern sind schreckliche Wahrheit, die nun aus unbekannten Gründen wieder ins Hügelland einzubrechen scheint. So geschehen im vergangenen Sommer, doch nun, kurz vor dem 31. Oktober, dem alljährlichen Termin für das grausige Maskenfest, vergessen oder ignoriert. Was dann auf dem Fest geschieht, erschüttert das Volk der Quendel heftig, wenn sie auch trotz tragischer Ereignisse und schwerer Verluste selbst noch nicht verstehen können, was genau am Himmel und in den glitzernden Nebeln, die sie einschließen, vor sich geht. Unfassbar, über wie viele Seiten man eine unheimliche Bedrohung wachsen spüren kann. Nur einer, unser Kartenschreiber aus Grünlohe, mit dem die ganze Geschichte begann, begibt sich zu den Ursprüngen des ganzen Spuks, und findet zum Ende von Band 2 Erstaunliches heraus, was allen Lesern Hoffnung auf den dritten und abschließenden Band des fantastischen Epos macht. Ist Rettung doch möglich?

LESEWEIS® gefällt an diesem Buch besonders, dass es für junge Leser (ab 14 aufwärts und aufwärts) ein El Dorado ist, die diesen Mix aus realer Welt und magischen Einflüssen lieben. Fantasy oder doch nicht – genau diese Ungewissheit macht den Zauber aus. Das Werk ist ein Hochgenuss der Literatur. Caroline Ronnefeldts Sprache ist unglaublich gut: Komplexer, faszinierender Satzbau, ein gewaltiger Wortschatz, der Worte wieder aufleben lässt, die ebenfalls aus grauer Vorzeit zu stammen scheinen, und nicht zuletzt und gar nicht unwichtig: ein äußerster Einfallsreichtum für Namen. Es ist ein Stück, in dem man schwelgen darf. Und lange verweilt. Lässt man sich nur ein auf das extrem langsame Erzähltempo, das wir in aktuellen Büchern so gar nicht mehr gewohnt sind. Ich finde, es lohnt sich. 

Caroline Ronnefeldt: Quendel (2). Windzeit, Wolfszeit. 
Ueberreuter, 2019. Hardcover. 480 Seiten. Ab 14 Jahren. ISBN: 978-3-7641-7096-7