Winterpony

Im wunderschönen Cover liegt alles, was dieser sehr nah an den wirklichen Geschehnissen liegende Roman uns beim Lesen offenbart: Die Kraft und Traurigkeit eines Tieres; der beharrliche Schnee, der wie das unabwendbare Schicksal auf das Pony niedergeht; und im Hintergrund der Mensch. 

© Verlag Freies Geistesleben

Das einzige, was meist anders ist, ist die Perspektive. Bei uns steht üblicherweise nicht das eine Pony unter vielen im Vordergrund. Sondern wir und unser Verlangen. Vielleicht war genau dies Scotts Fehler. Robert Falcon Scott, der sich von 1910 bis 1913 mit dem Norweger Amundsen ein Wettrennen zum Südpol lieferte. Von seinem Streben, seinem Handeln und seinem Untergang handelt dieses Buch. Auch.

Der vom Kanadier Iain Lawrence intensiv und bewegend erzählte Bericht dieses faustischen Unternehmens ist jedoch aus Sicht eines der Ponys geschrieben, die Scott in die Antarktis schaffen ließ, um mit ihnen als erster Mensch den Südpol zu erreichen: James Pigg. Nicht einmal dieses Pony ist dabei erfunden.  Der Autor hält sich dicht an die überlieferten Fakten. Entdeckt hat er auf diese Weise Ungeheuerliches. Obwohl Scott nicht erster Mensch am Südpol wurde, wird er bis heute als Held gefeiert. Das Buch entdeckt, auf wessen Rücken dieses Heldentum tatsächlich ausgetragen wurde. Und so erstaunt es nicht, dass dies kein klassischer Pferderoman ist, sondern ein hartes Stück Realität, das uns demütig und nachdenklich werden lässt, was wir (nicht nur) diesen herrlichen Geschöpfen antun. Umso mehr lieben wir James Pigg, und obwohl er sich immer mehr den lahmen Klepper eingestehen muss, ist er ein wahrer Held, einer, der keine Wahl hatte. 

Ein Buch, das viel Geduld mit den widrigen Seiten des Winters abverlangt. Zähigkeit und Hoffnung. Vielleicht nicht unbedingt ein Roman, den man im Corona-Winter 2020/21 lesen sollte? Vielleicht genau der Roman, den man jetzt lesen sollte! Eine famose Erzählung für Menschen ab 12 mit einem Herz für Tiere und Natur, mit einem Faible für Abenteuer und Entdeckungsfreude, soweit es diese Welt, aber auch die menschliche Natur angeht. 

Iain Lawrence: WINTERPONY.

Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Mit Originalfotos aus SCOTT’S LAST EXPEDITION, London 1913

Verlag Freies Geistesleben, 2020. Gebunden. 322 Seiten. ISBN 978-3-7725-2968-9. Ab 12 Jahren