Wie sehr Fantasie und Träume, Spiel und Hingebung die Welt verändern können, hat die Episode um die echten Feen von Cottingley gezeigt, die im frühen 20. Jahrhundert für Aufregung in der spiritistischen Fachwelt sorgte. Zwei Mädchen hatten in dem kleinen Waldstück nah ihres Zuhauses Feen fotografiert. Für die Echtheit der 5 Bilder setzte sich kein Geringerer als Sherlock-Holmes-Autor Arthur Conan Doyle vehement ein. Und schon strömten die Massen nach Cottingley um die Feen zu sehen.
Wen wundert’s? — sie bekamen nicht die kleinste Elfe zu Gesicht. Die beiden Cousinen Elsie Wright und Frances Griffiths hatten bei den Fotos mit Schere und Papier wohl etwas, allerdings erstaunlich gut, nachgeholfen, doch bis zu ihrem Tod im Jahre 1986 beteuerte Frances, dass eine der fünf Fotografien echt sei und Feen selbstverständlich existierten.
Wer sich erinnert, wie intensiv wir als Kinder gespielt haben und was wir dabei alles zu sehen bekommen haben, wie sehr wir in die Natur eintauchen konnten und was uns vor Augen kommt, wenn wir flach auf dem Bauch unter Hecken und Sträuchern herumkriechen, den verwundert nicht, dass kleine Mädchen im Stande sind, Feen zu sehen. Mein Credo bei Leseweis ist stets, kleinen Kindern auch im Bilderbuch die Welt der kleinen Wesen nah zu bringen, unter anderem weil dies das alte Spielen und Suchen in der Natur wieder fördert. Elsie und Frances machten das im Sommer 1917 umgekehrt: Sie weckten mit ihren Fotografien in den Erwachsenen, die sich wegen des tobenden Weltkriegs vor Sorge zerfraßen, die Träume einer parallel existierenden friedvollen Welt wieder.
Das Bilderbuch, das Elsies und Frances Geschichte in bezaubernden Bildern nacherzählt, macht deutlich, dass wir das Wunder nicht mit Gewalt vor unsere Augen ziehen können. Wer Feen sehen möchte, muss wie ein Kind kriechen, spielen, träumen und glauben. Glücklich Mädchen wie Frances, die auch mit 80 Jahren noch wissen, was sie gesehen haben. Und wie reicht unsere Welt tatsächlich ist.
Ein entzückendes Bilderbuch über die wunderbare Macht der Fantasie.
Ana Sender: Die Feen von Cottingley NordSüd, 2019. Aus dem Spanischen von Marianne Gareis. Gebunden. 40 Seiten. ISBN 978-3-314-10477-0. Ab 4 Jahren