Natürlich kannte auch die durch und durch wunderbare Astrid Lindgren den alten Brauch, dem Hauswichtel an Weihnachten in Dankbarkeit eine Schüssel Reisbrei hinzustellen, was sie im Bilderbuch TOMTE UND DER FUCHS ja liebevoll erzählt. Die erste Geschichte des Wichtels, TOMTE TUMMETOTT, allerdings ist für mich ein noch wichtigeres Buch – für unsere Kinder und speziell auch für diese besondere Zeit. Sie transportiert eine ganz wertvolle Stimmung, die der der Raunächte ähnlich ist. Eine Stimmung von Warten, Angespanntheit, stiller Sorge bei gleichzeitiger Geborgenheit und Hoffnung. In ganz einfachen Worten erzählt sie für die Kleinsten nämlich, wie die Tiere im Stall warten. Sie warten auf den Frühling, auf die Wärme, auf das Licht. Doch aushalten müssen sie die Enge des Stalls, die Kälte des Winters und seine unerbittliche Dunkelheit. Immer wieder, fast ritualsmäßig, wiederholt der kleine Hauswichtel die tröstenden Worte: Geduld nur, Geduld, der Frühling ist nah.
Vieles, was den Raunachtsglauben ausmacht, kommt aus der Angst vor den Bitternissen der kalten Jahreszeit und auch von der Ungeduld – dem Erdulden – des Winters in alten Zeiten. Der Winter war eine Bedrohung, ganz real, auch ohne die Geschichten der Wilden Jagd. Geschichten wie die des Wichtels Tomte, der in diesen langen Nächten umhergeht und wacht, auf Haus, Hof und Bewohner aufpasst, waren sicher damals schon überlebenswichtig. Sich sagen zu dürfen: Wir sind nicht allein. Es gibt da gute Geister, die uns beschützen – welch ein Trost! Mit der Vorstellung, das jemand uns beschützt, können wir die Geduld aufbringen, die ein langer Winter uns abverlangt.
Auch heute kann es sicher nicht schaden, wenn wir unsere Kinder mit Geschichten wie dieser einerseits in wohliger, warmer Sicherheit wiegen und ihnen dabei obendrein die Geduld beibringen. Warten dauert, aber es lohnt sich. Auch wenn nicht mehr der Winter und schon gar nicht mehr die Raunächte es uns abverlangen. Astrid Lindgren erzählt auch in diesem Bilderbuch aus einem tiefen Verständnis für die Menschen und ihre Sorgen, Nöte und Sehnsüchte heraus. Dass sie das konnte und in allem, was sie schrieb, wiederholte, macht sie so groß.
Astrid Lindgren: TOMTE TUMMETOTT.
Oetinger, 1960/2004. ISBN 978-3-7891-6130-6. 36 Seiten. Ab 3 Jahren.
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