Skeleton Tree

„Doch ich vergaß meinen Ärger, als wir tiefer in den Wald eindrangen. Überall wuchs dickes, schweres Moos auf jedem Hubbel, in jeder Kuhle und auf allen umgefallenen Baumstämmen…“

© Verlag Freies Geistesleben

Wald kann Rettung sein. Und doch lauert in ihm auch Bedrohung. Ist es der schützende Wald, der Chris und Frank überleben lässt? Sind es die Lachse im Bachlauf? Das Holz, das sie schließlich entfachen können? Die Tarnung der Hütte? Oder sind es doch der verwertbare Müll der Menschen, den das Meer anschwemmt, samt Chris’ unerschütterlichem Glauben an Rettung, der die Jungen antreibt, am Leben zu bleiben?

Eine auf leise Art dramatische Geschichte erzählt Iain Lawrence in SKELETON TREE, einer Robinsonade des Plastik-Zeitalters, und entführt uns damit in die Küstenwälder der schier unendlichen Wildnis Alaskas. Schon zu Jahresbeginn hat Iain Lawrence uns hier bei LESEWEIS® in kalte Regionen entführt, als er uns mit WINTERPONY die wahre und zugleich tragische Geschichte über den Wettlauf zum Südpol erzählte. Hier beeindruckt er uns wieder mit einer klaren Stimme, die kaum Fassbares erzählt, mit einer Situation, die Verzweiflung schüren müsste, doch in Freundschaft und tiefes Glücksgefühl mündet. Eine fantastische Geschichte, die jedem von uns schon morgen passieren könnte. Durch jede Zeile säuselt, knarzt und kreischt dabei der uralte Wald; unheimliche Bilder werden beschworen; uralte menschliche Ängste verwirren bei Nacht, bis im Morgengrauen die Klarheit pragmatischen Überlebenswillens wiederkehrt, so scharf und frisch wie die eisige Luft des hohen Nordens.

Zwei Jungen werden an die Küste Alaskas getrieben, nachdem das Segelboot gekentert ist, mit dem Chris’ Onkel Jack sie auf eine Abenteuerreise mitgenommen hat. Onkel Jack ist tot. Er ist nicht rechtzeitig aus dem Boot gekommen. Die beiden Jungen finden sich allein in menschenleerer Natur. Hier müssen sie nicht nur irgendwie überleben und Strategien entwickeln, wie sie Rettung herbeirufen könnten, sie müssen auch einander kennen und mögen lernen. Was schwierig ist, da sie sich gleichermaßen zueinander hingezogen wie voneinander abgestoßen fühlen. Instinktiv spüren sie, dass der jeweils andere Konkurrent ist — und gleichzeitig Garant, es auch nur irgendwie zu schaffen. Die beiden harren aus. — Man kann schier nicht aufhören zu lesen. — Und erleben schwindelnde Höhen und klaffende Tiefen eines Abenteuers, von dem sie selbst noch Tage vorher sich nicht im Traum hätten vorstellen können, seine Protagonisten zu werden. Realistisch, mit einem Hauch von Mystik und verzweifelt großen Gefühlen. Großartig. 

Iain Lawrence: SKELETON TREE. Nur die Wilden überleben
Aus dem Englischen von Anne Brauner. Gebunden. Freies Geistesleben, 2021. 270 Seiten. ISBN 978-3-7725-2973-3. Ab 13

„Man sollte das Buch vielleicht nicht in einer Hütte mit dünnen Wänden lesen, wenn alle anderen schlafen und draußen die Geräusche des Waldes erwachen. Auch wenn es schön war, das Herz wieder mal so klopfen zu hören wie in Kindertagen. Was wären wir doch langweilig ohne Geschichten!“

Konstanze aus der LESEWEIS®-WaldWerkstatt