Fireside Mysteries

Das hier sind die „Kamingeschichten“ aus Greenglass House!

© Verlag Freies Geistesleben

Ein neues Buch von Kate Milford — das ist immer eine großartige Nachricht. Schwer und prächtig liegt es mit seinem wunderschönen Cover in meinen Händen. Und da es sich um ein weiteres Green-Glass-House-Buch handelt, ist einzigartige Lektüre angesagt. Lektüre, die uns in eine Welt entführt, die tiefer blicken lässt, mindestens so tief wie die Schächte und Gänge unter der alten Schmugglerstadt Nagspeake. Ein bisschen Mystery, ein bisschen Steam, ein bisschen Fantasy. — Eine Geschichte für lange Herbstabende. Hier regnet es nicht bloß auf dem Cover…

Fans von Greenglass House sei gleich gesagt: Ja, das ist das Buch, das Milo in Greenglass House liest — unter dem Titel „Kamingeschichten“. Und ja, genau das ist das Geniale an den Romanen Kate Milfords. Auch wenn wir jeden einzeln und für sich lesen können, gehören sie auf verschlungenen Gängen alle zusammen, so sehr miteinander verwoben, dass nicht einmal mehr die Autorin sagen kann, wo in ihrem Werk die Geschichte ihren Anfang nahm. Geheime Verweise auf die anderen Bücher gibt es überall zwischen den Zeilen und macht das Lesen ungeheuer aufregend. Jedes einzelne Buch funktioniert aber auch problemlos für sich allein. Schließlich sind es manchmal nur Signalwörter wie Buntglas oder Bewegliches Eisen oder eben Fluss, die für Kenner:innen wie Links zu den anderen Geschichten Milfords führen, sich aber auch nahtlos in die eine neue Geschichte einfügen. Äußerst raffiniert. 

Bei Fireside Mysteries handelt es sich um ein Buch, das in einem anderen Buch der Autorin gelesen wird. Die Geschichte selbst funktioniert nach dem Genre des Decamerons. Viele Menschen, die wie zufällig in einem Haus zusammengekommen sind, sitzen dort fest und können nicht weg. Um sich die Zeit bis zu ihrer Befreiung zu vertreiben, beginnen sie einander Geschichten zu erzählen. Geschichten, die ebenfalls einen wichtigen Teil des Buchs ausmachen. Hier sind es die Gäste der Taverne zur Blauen Ader, die aufgrund heftigen Regens gezwungen sind, gemeinsam das Unwetter abzuwarten. Während das Wasser des Flusses draußen bedrohlich steigt, beginnen sie einander Geschichten zu erzählen. Was eine lose Verbindung verschiedenster Erzählungen sein könnte, fließt mehr und mehr zusammen und im Laufe der Lektüre wird uns Lesern klar, warum wer hier ist, warum wer welche Geschichte erzählt und was sich tatsächlich in der Taverne in jener Nacht zusammenbraut. Nichts ist der Gelegenheit überlassen und wir durchschauen immer gebannter das vermeintlich lockere Zufallsgebilde der Fireside Mysteries (die im amerikanischen Original übrigens The Raconteur’s Commenplace Book heißen.) Herrlich, wie der Regen durch die Seiten braust und uns ein behagliches Lesevergnügen beschert. Das wünschen wir uns im nahenden Lese-Herbst.

Kate Milford: Fireside Mysteries
Verlag Freies Geistesleben, 2022. Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Mit Illustrationen von Nocole Wong. Gebunden. 430 Seiten. ISBN 978-3-7725-2761-6. Ab 12