Nie mehr allein

Heute stelle ich euch ein Buch vor, das mich außerordentlich begeistert hat. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, es für ein bestimmtes Alter zu empfehlen, da es auch nicht davor zurück schreckt, von Verlust und sogar Tod zu erzählen. Nicht alles läuft glatt und gut in dieser Erzählung. Und doch glaubt der Held an das Gute, verhält sich gut, trifft auf gute Menschen und führt uns letztlich zu einem guten Ende. Vielmehr scheint mir dieses Buch ein echter Klassiker zu sein, sprich ein Buch, das jedem Leser und jeder Leserin gefällt, die Geschichten liebt, weil sie gut erzählt sind, weil sie wirklich was zu sagen haben, weil sie einen in Bann schlagen und nie mehr wirklich loslassen. NIE MEHR ALLEIN von Hector Malot ist eine solch ewige Geschichte, die zu schildern scheint, was wirklich nach und nach passiert ist und die uns so von schrecklichen zu wundervollen Momenten führt und uns das Leben am Ende mit Glücksgefühl betrachten lässt. Trotz der Tränen, die wir vielleicht unterwegs geweint haben. Alterslos, möchte ich meinen.

© Urachhaus

Ich bin auf das Buch gestoßen, als ich im letzten Jahr auf der Suche nach Geschichten war, die von einem Schaf erzählen. Das Schaf war 2018 das LESEWEIS®-Tier des Jahres. Schaut man sich das Cover genau an und nicht so eilig wie die Rezensentin auf Suche, dann bemerkt man vielleicht, dass es sich bei dem weißen Tier auf diesem Bild nicht um ein Schaf, sondern um einen Hund handelt. Vielleicht hat mich auch die Gestalt daneben in die Irre geführt, die so sehr an ein Hirten erinnert, ja an David, den biblischen Hirten mit der Harfe. Obwohl diese mächtige, sanfte Erzählung mitnichten von einem Hirten und schon gar nicht von einem Schaf erzählt, bin ich unendlich dankbar, auf dieses Buch gestoßen zu sein, weil es mich mit auf die Reise des jungen Rémi genommen hat, der ich voller Kummer und Sehnsucht gefolgt bin. Im weitesten Sinne wird hier nämlich doch die Geschichte eines verlorenen Schäfchens erzählt, das Liebe, Geborgenheit und ein Zuhause sucht. Herzzerreißend wie die Geschichte eines Oliver Twists, doch begegnet der Waise Remi wahren Menschen und nicht nur menschlichen Monstern. Das zeichnet diese Heldenreise zweimal quer durch Frankreich, diese Suche nach dem wahren Ich gegenüber dem englischen Klassiker aus. Rémi ist ein besonders freundlicher Junge und dank seiner Freundlichkeit stößt er auf gute Gegenüber. Ja, ich würde sagen, dieses Kind schafft sich seine guten Gegenüber. Dieses Buch führt nicht von einem Schrecken in den nächsten, sondern ist tatsächlich eine Reise, auf der trotz aller schlimmen Erfahrungen nach und nach das Gute erreicht wird. Ein wunderbares Familienbuch, das man gemeinsam oder ganz für sich allein lesen sollte. Literatur. Genuss. Bezaubernd. Ein Roman, an dem wir wachsen.

Hector Malot: NIE MEHR ALLEIN.

Urachhaus, 2018. ISBN 978-3-314–10437-4. 

302 von Charlotte Dematons so schön illustrierte Seiten. In einer Bearbeitung von Tiny Fisscher. Aus dem Niederländischen übersetzt von Eva Schweikart. Ab 10 Jahren.