Zuhause… sind wir auf diesem Globus. Auf dieser unglaublichen blauen Kugel, die in einem unendlichen Meer der Ungewissheit auf (leider) absehbare Zeit rotiert. Habt ihr mal darüber nachgedacht wie wunder-, wunderbar das eigentlich ist? Und welch eine Gabe wir bekamen, dass wir als Menschen darüber überhaupt nachdenken, uns wundern können?
Darüber denkt nach, und fast klingt es wie ein Vermächtnis, der von mir hochgeschätzte norwegische Autor Jostein Gaarder. Den die meisten durch seinen Bestseller „Sophies Welt“ kennen. Der jedoch meiner Ansicht nach noch viel faszinierendere Bücher, gerade auch für Kinder, geschrieben hat.
Neu erschienen ist bei Hanser ein Brief in Buchform, den Gaarder an seine sechs Enkel, drei Mädchen, drei Jungen, verfasst hat, obwohl einige von ihnen ihn erst in der Zukunft lesen werden, weil sie jetzt noch zu klein sind. Er denkt darin über das Leben auf Erden nach. Wie er es als Kind und als junger Mensch wahrgenommen hat, was ihm Angst machte, was ihm wie ein Wunder erschien und was ihm jetzt, da er ein Großvater ist, als dringend notwenig vorkommt. Wir folgen ihm schwebend und staunend bei seinen Ausführungen, die einmal mehr Ballonfahrten durch das philosophische Denken gleichen.
Trotz aller Ängste, die er um unsere Erde in diesen Zeiten hegt — entstanden ist das kleine, aber dichte Werk im zweiten Jahr der Pandemie — ruft er seine Enkelkinder auf, das Leben wirklich zu leben. „Wozu willst du dein Leben nutzen, diese einmalige Chance auf der Welt zu sein?“ Das ist die Frage, die seine Lehrer ihm unverzeihlicherweise nie stellten. Und so stößt er uns mit seinen Gedanken höflich an, bringt uns zum Staunen über das Wunder, dass wir existieren, plädiert jedoch zeitgleich für eine Erklärung der Menschen-Pflichten. Nichts ist selbstverständlich da. Schon gar nicht wir und unser Planet. Weshalb er nicht zulässt, der Welt jemals „gewiss zu werden“.
Leichte Lektüre mit immenser Tiefe. Ich glaube, so bekommt das nur Gaarder hin. Dieser wolkennachhängende Philosoph der Kinderbuchwelt, der den Bodenkontakt trotz aller Höhenflüge quasi permanent hält. So dass wir seiner Lektüre Seite für Seite staunend folgen und das Buch reicher, klüger, entschlossener wieder schließen.
Für seine langjährigen Leser und Leserinnen sind auch die Stellen spannend, an denen er auf seine eigenen Bücher zu sprechen kommt, die im Kinderbuchbereich von Geschichten über den Tod über verquere Gedankenspiele und hochspannende Abenteuergeschichten bis hin zu Weihnachtsgeschichten mit Engeln als Protagonisten reichen. Und da verrät er uns, dass das Schweben über dem Ganzen mit eingebauter Erdung bei ihm Prinzip ist. Die imaginären Dimensionen seiner Geschichten erdet er stets in Charakteren wie du und ich. In Menschen. Gaarder, der Humanist, legt auf knapp 160 Seiten mit IST ES NICHT EIN WUNDER, DASS ES UNS GIBT? einen bezaubernden Gedankenflug über das Leben vor, ohne den Erdboden dieses blauen Planeten jemals zu verlassen. Ich hoffe, ihr teilt meine Freude an dieser wertvollen Lektüre.
Jostein Gaarder, Ist es nicht ein Wunder, dass es uns gibt? Eine Lebensphilosophie. Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs. Hanser-Verlag, 2023. 160 Seiten. ISBN 978-3-446-27714-4. Für junge und alte Erwachsene