Bücher öffnen uns magische Welten. Ihre Bilder und Worte raunen und vernebeln. Hexen-Bildersachbuch für fortgeschrittene Zauberschülerinnen ab 12.
Ein lustiges Buch ist es nicht, das große Bilderbuch über die Geheimnisse der Hexen. Es ist magisch schön illustriert. Und erzählt grausam nah an der Wirklichkeit der Frauen, die seit Jahrhunderten als Zauberinnen und Teufelsbündnerinnen verfolgt wurden. Geschrieben von zwei Frauen, die sich den feministischen Slogan „Wir sind die Enkelinnen der Hexen, die ihr nicht verbrennen konntet“ auf ihre (Druck-)Fahne geschrieben haben. Und so wird einerseits in vielen kurzen Abschnitten sehr viel Wissenswertes erzählt: über die Vorstellung von Magie und Naturkraft von Anbeginn der Menschheit; über die Verunglimpfung von Magie seit dem Mittelalter und der Paradoxie, dass sie Frauen als Unheil, Männern hingegen meist als Wissenschaft ausgelegt wurde; über die Weiter-Entwicklung des Hexenglaubens seit der Renaissance bis heute. Andererseits werden offenbar nur weibliche Leserinnen angesprochen — als Schwestern. Das Buch möchte aufklären. Über Frauenrechte und auch darüber, was „Hexenjagd“ noch heute bedeutet. Da wären auch Männer und Jungs geeignete Ansprechpartner. Vielleicht die wichtigeren.
Mit gefällt das magische Flair des großformatigen Buches ungeheuer gut. Die Illustrationen sind düster-schön. Historische Frauenfiguren, die der Hexerei beschuldigt wurden, stellen sich selbst in kurzen Porträts vor, erzählen, was ihnen geschehen ist. Es wird viel aus Originaltexten zitiert — dem grausamen Hexenhammer, vergleichbaren Kampfschriften der Renaissance, aber auch aus Protestliedern und Aufrufen der Frauenbewegung auf aller Welt. So spannt das Sachbuch einen fantastischen Bogen von spannenden Frauenfiguren der Antike bis zu Hermine Granger und Willow Rosenberg, den aufgeklärten, klugen, sich ihrer Rechte bewussten Hexen aus HARRY POTTER bzw. der Fernsehserie BUFFY. IM BANN DER DÄMONEN. Nicht gefällt mir, dass dann auf den letzten Seiten, gewissermaßen im Ziel dieser fantastischen Auffächerung dessen, was bei „Hexen“ aller Zeiten wirklich gefürchtet wurde, nämlich ihre Intelligenz, ihr Wissen und ihr selbstbewusstes Auftreten…, eine Unterweisung in magischen Symbolen, Hexentieren, Talismanen, Kraftsteinen und ähnlichem folgt! Gehört das nicht gerade alles in die Zeit dunkler Verunglimpfung und führt nur zu uralten falschen Vorstellungen zurück sowie zu neuem Unfug hin? Hermine hätte darüber nur den Kopf geschüttelt. Was moderne „Hexen“ (ersetze „Hexe“ durch „selbstbewusste Frau“) können und wissen, hat nämlich mit Sicherheit nichts mit Kröten, Fliegenpilzen und Pendeln zu tun… (Vielleicht eher mit Naturwissenschaft, Klimakampf und klaren Reden für weltpolitisches Handeln, das keinen Aufschub duldet…)
Bis auf diese letzten verunglückten Seiten allerdings ein hoch interessantes, tragisches und zugleich herausforderndes Buch.
Julie Légère, Elsa Whyte: GEHEIMNISSE DER HEXEN. Ihre Geschichte. Ihre Magie. Ihr Wissen.
Magisch illustriert von Laura Pérez. Aus dem Französischen übersetzt von Katharina Schmidt und Barbara Neeb. Verlag arsEdition, 2020. Großformatiges Bildersachbuch. Gebunden. 78 Seiten. ISBN 978-3-8458-3942-4. Ab 12.