Es gibt noch Kinderbuchautoren, die uns mutig wunderschöne Geschichten erzählen. Und die Kindern dabei unsere Sprache in ihrer ganze Fülle zutrauen, lange und herrliche Sätze weben, besondere Worte benutzen, von ungewöhnlichen Dingen berichten und uns alle dabei, Klein wie Groß, mitnehmen in die Wunderwelt des Erzählens.
Hauchdünn ist der Vorhang von einer tristen Alltagswelt zur prallvollen Welt der Wunder, denn eigentlich muss nur einer kommen und uns davon erzählen, dann IST unsere Welt diese Welt voller Wunder. Kai Lüftner, den wir, seit er anfing für Kinder zu schreiben, über alle Maßen schätzen, ist so einer, der kommt und uns davon erzählt. Der Verlag schreibt, dass dieses Buch mit Liebe gemacht ist — und ich sag euch, das spürt man auf jeder Seite und mit jedem Satz. Beglückend.
Von zwei liebevollen alten Menschen ist die Rede, die auf einer hohen Klippe im Meer hoch über dem brausenden Wasser am Murmelweg wohnen und eines Tages einen seltsamen kleinen Jungen im Wald finden und bei sich aufnehmen. Der Junge ist erstaunt, wenn auch nicht verängstigt, er ist aufgeweckt, doch still, denn er kann offenbar nicht sprechen. Fünf Jahre bleibt der Kleine bei ihnen und wächst kein bisschen, spricht kein bisschen. Allerdings taucht er in alle Bücher ein, die er in die Finger bekommt und er lernt von den beiden gütigen Alten das Schnitzen und das Feuermachen und vieles mehr. Er ist lieb und behilflich, eifrig und dankbar. Alle drei gewinnen einander sehr lieb. Als endlich ans Tageslicht kommt, was das Geheimnis des Kleinen ist, halten sich Liebe und Sehnsucht schmerzlich die Waage.
Einfach bezaubernd.
Kai Lüftner, Emilia Dziubak, Der Verwechsling. Ein skandinavisches Märchen arsEdition, 2024. 36 Seiten. ISBN 978-3-8458-5388-8