„Jeder sollte etwas haben, in das er seine Liebe stecken kann…“
Ein ganz wundervolles Buch durfte ich am Wochenende lesen, das mir eine 13-Jährige Testleserin mit den Worten „Diese Geschichte ist so besonders“ zusteckte. Sie hat recht. DAS REICH DER TRÄNEN von Janine Wilk erzählt ein spannendes Abenteuer, das sowohl in der realen Welt als auch in der Fantasie des Mädchens Mia spielt und dabei die Kraft der Träume so erhebt wie einst DIE UNENDLICHE GESCHICHTE. Wunderschöne Sprache lässt uns an Mias Leben teilhaben, das überschattet wird von einer Mutter, die ihre Aggressionen nicht im Griff hat, und Menschen, die obwohl sie sehen, was geschieht, glauben, nicht helfen zu können. Diesem Teil der Geschichte jedoch sind märchenhafte Passagen voller Schönheit und Poesie an die Seite gestellt, die das Leid in anderem Licht erscheinen lassen und damit im wahrsten Sinne die Schlüssel zum Glück liefern.
Janine Wilk: DAS REICH DER TRÄNEN. Thienemann #ISBN_978_3_522_18389_5. Gebunden. 224 Seiten. #LW_Ab_11_Jahren. 12,99 €
Wer in Fantasiewelten flüchten kann und dort lernt, wie er mutig für seine Rechte kämpft, dem gelingt es, wenn er in die wirkliche Welt zurückkehrt, auch hier. Das ist die Botschaft, die viele von uns aus Michael Endes Unendlicher Geschichte gelernt haben.
Seit Endes Meisterwerk, so scheint es mir manchmal, ist das Träumen in unserer Gesellschaft wieder erlaubt. Immer mal wieder erscheinen Bücher, die in diesem Sinne unverhohlen an der unendlichen Geschichte weiterschreiben. Erzähler, die zeigen, das auch sie Phantàsien besucht haben und nun den Kindern davon erzählen, damit auch sie dorthin gelangen und die Wunden ihrer Seele heilen können. Janine Wilk gelingt das auf sehr berührende Weise.
Mia ist ein fröhliches, kluges Mädchen, das Freunde hat und auch von den Lehrern gemocht wird. Doch sie lebt in ständiger Angst vor den aggressiven Ausbrüchen ihrer Mutter, die ihr Liebe entzieht, ihr ungehalten Vorwürfe macht, ihr droht und Mia sogar heftig schlägt, wenn in ihrem eigenen Leben die Dinge schief laufen. Mia versteht ihre Mutter nicht, kann sie nicht verstehen, leidet aber natürlich heftig unter ihr. Der Vater traut sich nicht, Mia zur Seite zu stehen. Nicht einmal die herzensgute, geliebte Großmutter wagt sich einzumischen.
Genug Anlass für Tränen. Wann immer Mia jedoch auch nur eine Träne weint, wird sie in eine Fantasiewelt gezogen, in das Reich der Tränen. Dort hat sie treue Freunde und Lehrmeister, aber auch eine erbitterte Feindin – in Gestalt der bösen, herzlosen Königin. Diese muss sie besiegen, als sie ihren besten Freund, den Kometendrachen Golduir gefangen nimmt. Die Suche nach Mitteln und Wegen und der erbitterte Kampf helfen Mia auch in der realen Welt immer wieder, dem Unrecht besser zu begegnen. Ihm zu begegnen, ohne selbst unterzugehen. Ihre Seele nämlich weiß sie bald in Sicherheit. Sie blüht in einer von Freunden bewachten wunderschönen Kammer im Reich der Tränen.
Unendlich bewegend. Eine Geschichte, die Kinder ermutigt, den Kampf gegen Ungerechtigkeit aufzunehmen. Auch innerhalb der eigenen Familie. Und damit nicht nur ein schönes Buch, sondern auch ein sehr wichtiges. Für Jungen ebenso geeignet wie für Mädchen.
Wie es der Erzähler der Unendlichen Geschichte es uns ja schon immer versprochen hat: es wird andere Geschichten geben, die ein andermal erzählt werden. Dieses Buch ist ein andermal.
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