Von wegen Mistviecher!

Krabbeltiere erklären ihre Welt

„Meine lieben Brüder Insekten, Kameraden, Spinnengetier, Bürger Tausendfüßer! Wir sind die dreckigen Tierchen, werden von den Menschen geschmäht und gehasst. Deshalb müssen wir uns verbünden! …“

2008 im moses. Verlag erschienen. Leider nicht mehr lieferbar. Unbedingt gebraucht sichern. So phänomenal!

Fantastisch, mit was für einer Rede die Kakerlake dieses brillante Sachbuch eröffnet und damit evoziert, dass dieses Buch von ihnen selbst verfasst wurde: den speziellen Insekten und Spinnentieren, die homo sapiens als absolut abstoßend empfindet und deshalb vermutlich nie zur Feder greifen würde, um für sie ein Plädoyer zu schreiben. Konkret geht es um die speziellen 6- oder 8-Beiner, deren Existenz aus menschlicher Sicht nur daraus zu bestehen scheint, zu nerven, zu stechen, zu beißen oder Ekel zu erregen. Doch das ist ja der Clou: dieses Sachbuch ist nicht aus menschlicher Sicht geschrieben.

Sie verbünden sich (offenbar auch mit dem französischen Autor und Illustrator Gilles Bonotaux, dessen Frau seither, nun ja, fast keine Angst vor Spinnen mehr hat…) und begehren auf ob der Ungerechtigkeit, mit der wir Menschen ihnen begegnen. Als aufmüpfige Demonstranten mit hocherhobenen Plakaten und finsteren Aufklärungsplänen marschieren sie in köstlichen Grafiken durch dieses kluge Buch. Und vermitteln dabei fundiertes Wissen über die Mitglieder der 4 Klassen der Gliederfüßer: Insekten, Spinnentiere, Tausendfüßer und Krebstiere (letztere ziemlich geschmäht von den ersteren, weil diese die Menschen offenbar nicht ärgern…)

Selten muss man in einem Sachbuch so viel lachen. Doch scheint mir das gerade der Trick zu sein, um Ekel, Angst und blanke Nerven herzhaft zu überwinden und tatsächlich bereit zu sein, so einiges über diese Mistviecher zu lernen. Sei es nun über die blutsaugende Zecke, die angriffslustige Wespe, die ganze Häuser in Ungnade stürzende Kakerlake, die nachtaktive Stechmücke oder die Stubenfliege, die schon manch einen Familienpapa um den Verstand gebracht hat. Hier haben sie alle ihren Platz. Mit Vorurteilen wird — kein bisschen — aufgeräumt, und doch wird eben auch für diese Wesen das Wort ergriffen. Wir sind lästig, wir beißen, wir stinken und verursachen Juckreiz, doch die Welt zerstört ihr! Kein Wunder, dass die aufgebrachte Spinne den Menschen am Ende im Angesicht des unbewohnbaren Planeten Erde fragt: „Und ihr nennt UNS Mistviecher?“

Mit ganz viel Humor in Wort und Bild, gut aufbereitetem Fachwissen, schlauen Geheimtipps, übersichtlichen Tabellen und neben den comicartigen auch biologisch korrekten Zeichnungen, sowie einem abschließenden Quiz — steht hier ein rundum gelungenes, ungewöhnliches Sachbuch in meinem nachhaltigen Bücherregal, das unseren Ekel und unsere Angst vor den Mistviechern ins richtige Licht rückt. 

Erschienen bei Moses. 2008. In der französischen Originalausgabe bereits 2006. Derzeit leider nicht mehr lieferbar.

Gilles Bonotaux: VON WEGEN MISTVIECHER!

moses. 2008. Übersetzt von Kirsten Heininger. ISBN: 978-3-89777-442-1. Für jedes Lesealter.

LESEWEIS®-Pluspunkte:

Attraktive Vorsatzblätter

Lesbare Bilder

Köstlicher Humor

Fachverstand 

Auf Augenhöhe mit den kleinen Wesen