Mechthild Gläser im Gespräch mit Konstanze Keller

Konstanze Keller (LESEWEIS®) 

Liebe Mechthild Gläser, du hast mit deinem aktuellen Buch EMMA, DER FAUN UND DAS VERGESSENE BUCH deine vierte großartige Fantasie-Geschichte vorgelegt, ein von der ersten bis zu letzten Seite mit Spannung zu lesendes Buch, rätselhaft, berührend, glaubhaft und sehr unterhaltsam. Woher nimmst du den Mut, Fantasy im Hier und Jetzt anzusiedeln? Nicht in der Zukunft, nicht in vergessenen Welten, sondern hier bei uns, 2017, in einer zum Internat umfunktionierten Schule auf einer Burg über dem Rhein? 

Mechthild Gläser Foto: Dennis von der Wieschen

Mechthild Gläser:

Danke für das Lob, es freut mich sehr, dass EMMA Dir so gut gefallen hat! Ich weiß nicht, ob das so mutig ist, phantastische Elemente mit unserer Realität zu vermischen. Ich mache es aber auf jeden Fall sehr gerne, weil sich für mich daraus ein ganz besonderer Reiz ergibt. Zum einen hoffe ich immer, die Leserinnen und Leser auch ein wenig in dieses „Was wäre wenn-Grübeln“ zu versetzen, das ich selbst oft habe. Zum anderen denke ich, dass eine Fantasygeschichte umso glaubwürdiger wird, je mehr realistische Elemente sie enthält. Sie balancieren meine abstrusesten Einfälle quasi wieder ein bisschen aus und lassen zum Beispiel Behauptungen über Faune und magische Bücher nicht ganz so abwegig erscheinen. Dass es dieses Mal eine Burg am Rhein geworden ist, auf der die Geschichte spielt, liegt daran, dass ich die Sagen und Mythen des Rheintals schon immer faszinierend fand. Etwa die wildromantische, traurige Vorstellung von einer Nixe auf einem Felsen, die Seefahrer in den Tod lockt, das passte für mich von der Stimmung her ganz gut zu meiner Vorstellung von den Feen, dem Faun und seinem Märchen.

http://leseweis.de/emma-der-faun-und-das-vergessene-buch/

Konstanze Keller (LESEWEIS®) 

Wie wahr. Deine Romane wirken sehr realistisch, man glaubt dir und folgt dir unendlich gern auch dann, wenn sie fantastischere Wege einschlagen. Bis hin zu Feen oder Faunen. Aus deinen Worten spricht eine große Affinität für Geschichten, Märchen, Bücher… Und die Frage „Was wäre, wenn…“ hast du dir ja ganz sicher auch für dein Buch über DIE BUCHSPRINGER gestellt, in denen es den Helden möglich ist, in Bücher hinein zu gelangen. Ein Traum für alle Büchernarren. Dass du Bücher und Geschichten liebst und ihre Geheimnisse kennst, verraten deine Bücher von der ersten bis zur letzten Seite. Welche Werke, welche Autorinnen und Autoren, welche Figuren sind deine großen Vorbilder in der Literatur?

Mechthild Gläser:

Ich bin ein großer Fan von Jane Austen. Als Jugendliche haben mich außerdem HARRY POTTER und die Romane von Michael Ende geprägt. Aktuell sehr gerne lese ich auch die Geschichten von Antonia Michaelis, weil ich ihren Stil sehr mag. Leider komme ich nicht mehr so viel zum Lesen wie früher.

Beeindruckend finde ich es immer, wenn Autoren es schaffen, einen Plot so „durchzukomponieren“, dass ich die vielen Hinweise auf die Lösung direkt vor der Nase habe, aber trotzdem im Dunkeln tappe, rätsele und am Ende überrascht bin. Für mich ist J.K. Rowling darin eine absolute Meisterin. Figuren, die ich bewundere, sind grundsätzlich solche, bei denen ich das Gefühl habe, es wären echte Menschen, von denen ich da lese. Aber ich finde auch ungewöhnliche Figuren wie Sherlock Holmes oder Peter Pan sehr spannend.

Konstanze Keller (LESEWEIS®) 

Das klingt wunderbar. Vor allem in leseweisen Ohren. 🙂 Ist dir klar, dass du mit deinen Büchern so ganz nebenbei Leseförderung betreibst? Deine BUCHSPRINGER lese ich derzeit mit einer Gruppe von Kindern zwischen 10 und 15 Jahren (dem LESEWEIS®-LeseSaloon) und ertappe mich dabei, wie ich ihnen zwischendurch die Geschichten von Werther, vom Sommernachtstraum, von der Odyssee, vom Hund von Baskerville erzähle, ihnen Hörbücher vom Dschungelbuch und Peter Pan ausleihe, weil sie aufgrund der BUCHSPRINGER plötzlich natürlich all diese Geschichten kennen wollen. Besonders genial ist es, wenn sie dann in die nächste Stunde kommen und mir erzählen, dass sie jetzt Stolz und Vorurteil gelesen haben. 

Sie würden gern von dir wissen, wie lange du brauchst, deine Bücher zu schreiben. Es steckt ja eben nicht nur Fantasie, sondern ganz viel Wissen drin. Und deine Bücher sind sehr gut konzipiert. Genauso wie du es hier schilderst: man weiß beispielsweise bei EMMA bis zum Ende nicht, ob es den Faun wirklich gibt, was es mit den silbernen Blättchen auf sich hat und wie das alles zusammenhängt. Das macht einen guten Teil der herrlichen Atemlosigkeit aus, die man beim Lesen deiner Bücher verspürt, Mechthild. Wie lange arbeitest du an einem solchen Buch? Und – Frage einer Schülerin: ist es Zufall, dass Darcy de Winter Darcy heißt? 

Mechthild Gläser:

Zu hören, dass DIE BUCHSPRINGER Lust auf Klassiker machen, ist toll. Das ist eine kleine Hoffnung, die ich beim Schreiben hatte. Ich finde nämlich, es gibt so viele wunderbare Werke der Weltliteratur, das ist ein großer Schatz. Wenn meine Geschichten also ein bisschen dazu beitragen können, dass junge Menschen auf die Idee kommen, sich diesen Schatz einmal genauer anzusehen, macht mich das froh.

Bevor ich mit dem eigentlichen Schreiben beginne, brauche ich tatsächlich relativ lange, um Ideen zu sammeln, zu recherchieren und Handlung und Charaktere zu konzipieren. Ich bin keine Autorin, die so ein Romanexposé mal eben aus dem Ärmel schüttelt, sechs oder acht Wochen kann das schon einmal dauern, bis ich so weit bin, die erste Zeile zu schreiben. Ich kann nämlich auch nicht anfangen, wenn ich mir keinen detailierten Kapitelplan etc. ausgearbeitet habe, weil ich sonst viel zu viel Angst vor dem weißen Blatt habe.

Danach kommt natürlich noch die Schreibzeit an sich. An den BUCHSPRINGERN habe ich etwa neun Monate gearbeitet, wobei ich parallel dazu die Masterarbeit für mein erstes Studium verfasst habe, also konnte ich mich nicht durchgehend dem Manuskript widmen. An EMMA habe ich etwa sechs Monate gesessen, an meinem aktuellen Projekt schreibe ich jetzt seit September (weil ich inzwischen wieder studiere und meine Zeit somit wieder etwas aufteilen muss). Grundsätzlich versuche ich, an einem reinen Schreibtag etwa 5 Seiten zu Papier zu bringen, was mal gut und mal weniger gut klappt.

Darcy de Winter trägt seinen Namen natürlich nicht zufällig 😉 EMMA ist zwar eine Fantasy-Geschichte, aber gleichzeitig auch meine persönliche Hommage an Jane Austen, weshalb es in meinem Roman auch über die Namen hinaus einige Parallelen zu STOLZ UND VORURTEIL und Co. gibt. Darcys Nachnamen habe ich übrigens ebenfalls entliehen und zwar aus Daphne du Mauriers „Rebecca“.

Konstanze Keller (LESEWEIS®) 

Die BUCHSPRINGER machen Lust auf Klassiker. Emma macht Lust auf Bücher überhaupt. Auf den „Stoff“ Buch, das Papier, die Tinte, die Schrift, die sich auf eine Art und Weise zur Seele des Buches zusammensetzen, die Wissenschaftler wohl nie ganz werden beschreiben können. Was wäre wenn… auf magische Weise alles wahr würde, was man in ein Buch schreibt? Letztendlich dreht es sich in EMMA, DER FAUN UND DAS VERGESSENE BUCH ja vor allem um diese spannende Frage. Gut, dass du nicht zu den Autoren gehörst, die einfach drauf los schreiben, denn nur so entstehen so fantastisch ineinander verwobene und bei aller Mystik logisch aufeinander aufbauende Geschichten wie deine. Ich finde im übrigen nicht, dass du sehr lange dazu brauchst! Was mich freut, weil wir dann ja vielleicht schon bald das nächste Buch von dir in Händen halten. 

Verrätst du uns denn mehr über dein aktuelles Projekt? Spielen Bücher – oder ein Buch – erneut eine wichtige Rolle? Handelt es sich wieder um eine Fantasy-Geschichte? Wo ist sie angesiedelt? Darfst, magst du schon darüber sprechen? Oder muss alles geheim bleiben, solange du daran arbeitest? Was ich sehr gut verstehen könnte…

Du schreibst von deinen Studien. Haben auch die mit Literatur zu tun? Schaffst du dir damit ein zweites Standbein? Meine Schreibschüler träumen immer davon, Autorin oder Autor zu werden und fragen mich immer, ob man davon leben kann. Du hattest von deinem ersten Buch an großen Erfolg mit dem Schreiben und hast, soweit ich weiß, für STADT AUS TRUG UND SCHATTEN auch Preise gewonnen. Könntest du dir ein Leben als Vollzeit-Autorin nicht gut vorstellen?

Mechthild Gläser:

Es tut mir leid, mein neues Projekt ist noch furchtbar geheim. Das einzige, was ich bisher verraten kann: Es wird wieder ein Fantasy-Roman für Jugendliche, der in unserer Welt angesiedelt ist. Erscheinen soll das Buch 2018.

Ich hatte wirklich Glück, sodass ich zur Zeit tatsächlich in der Lage bin, vom Schreiben zu leben. Wie lange das so sein wird, weiß natürlich niemand. Ich hoffe, dass auch meine weiteren Bücher noch viele Leser finden werden. Aber generell ist es als Autor wohl immer gut, noch ein zweites Standbein zu haben.

Eine Weile lang war ich bereits Vollzeit-Autorin und ich habe es genossen, mich ausschließlich auf meine Geschichten konzentrieren zu können. Aber auf die Dauer hat mir trotzdem etwas gefehlt, denn ich bin ein sehr neugieriger Mensch und kann deshalb wohl einfach nicht genug von der Uni bekommen. Mit meinen Büchern haben meine Fächer (Geschichte, Politikwissenschaft, Wirtschaft, Medizin) auf den ersten Blick eher wenig zu tun. Andererseits habe ich allerdings das Gefühl, dass es meine Kreativität befeuert, wenn ich mich mit möglichst unterschiedlichen Dingen beschäftige.

Konstanze Keller (LESEWEIS®) 

Wow, liebe Mechthild Gläser, ich bin wirklich beeindruckt. Kein Wunder, dass deine Bücher nicht nur durch Spannung, sondern auch durch ihren intelligenten Aufbau und ihre Tiefe begeistern. Ich bin immens gespannt, was wir von dir noch alles zu lesen bekommen. Selbstverständlich verstehe ich, dass du noch nichts Konkreteres über dein neustes Projekt verrätst. So lange es im Entstehen ist, sollte es auch ganz bei dir sein. Aber die Verlockung war zu groß, danach zu fragen. Dass du neugierig auf das Wissen dieser Welt bist, ist fantastisch. Und auch nur logisch, denn du musst in deiner Kindheit leseweis gewesen sein, nach allem, was du offenbar alles gelesen hast. Leseweis aber macht naseweis, und ist man erst mal naseweis, geht’s mit leseweis natürlich weiter. 

Wie auch immer, vielen Dank, liebe Mechthild für dieses sehr interessante Gespräch! In Vorfreude auf deine kommenden Werke, Konstanze.

Mechthild Gläser:

Liebe Konstanze, dir auch lieben Dank für das nette Gespräch! Ja, ein bisschen lese- und naseweis bin ich vermutlich… Liebe Grüße, Mechthild.

Alle bislang erschienenen Bücher von Mechthild Gläser sind beim Loewe-Verlag herausgekommen: STADT AUS TRUG UND SCHATTEN,

NACHT AUS RAUCH UND NEBEL,

DIE BUCHSPRINGER

und EMMA, DER FAUN UND DAS VERGESSENE BUCH.

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