Daniela Kulot im Gespräch mit Konstanze Keller

Konstanze Keller von LESEWEIS®:

Liebe Daniela Kulot, wo kommt die zauberhafte Welt her, die uns in deinen Büchern immer wieder begegnet? Wie lange kennst du diese Welt schon?

DANIELA KULOT:

Wie lange ich diese Welt schon kenne? Das ist eine interessante Frage. Für mich ist diese Welt selbstverständlich und schon immer da gewesen. Als Autorin bzw. Künstlerin stelle ich mir diese Frage gar nicht. Aber ich versuche, eine Antwort darauf zu finden. Ich denke, ein reicher Grundstock davon liegt in meiner Kindheit. Ich bin mit vier Geschwistern auf dem Land neben einem Bauernhof aufgewachsen. Und das relativ unbehütet. D.h. Wir konnten uns unsere Umwelt selbst erkunden. Erwachsene haben da nicht viel mitgeredet. Das war eine Welt voller Abenteuer. Natürlich auch nicht ganz ungefährlich. Da kam schon mal jemand mit Gehirnerschütterung zurück, weil ein Seil, mit dem wir uns über Heuschober schwangen, gerissen ist. Oder mit einem blutigen Knie, weil wir uns mit den Rollschuhen an die damals noch langsam fahrenden Traktoren angehängt haben. Auch die umliegenden Wälder und Wiesen waren für uns eine große Welt. Unter Baumwurzeln bauten wir aus Stöckchen, Moos und Steinen Hütten, in denen wir mit Playmobilmännchen stundenlang  spielten. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen nach Bullerbüromantik, aber so war es eben, bzw. so habe ich es in Erinnerung. Für mich ist auch heute noch die Natur ein Quell von Ideen. Nicht in der Weise wie in meiner Kindheit, aber die Ruhe und Vielfalt der Natur setzt bei mir immer wieder Ideen frei. Natürlich auch die Stadt. Man muss nur hinschauen und zuhören, was die Leute machen und reden. Da laufen die Ideen quasi auf der Straße herum. Ich habe immer ein Skizzenbuch dabei, und notiere meine Eindrücke, oder zeichne was ich sehe und höre.

Konstanze:

Das klingt wunderbar. Und genau nach dem Schwelgen in Fantasie, zu dem du deine kleinen Leser mit deinen Bildern dann ja erneut einlädst. Ich habe gerade das Buch vom kleinen Bär vor mir liegen, der seine 7 Freunde besucht. Da wimmelt es heftig und herrlich, anders als sonst in deinen Büchern, und ich entdecke auch Figuren, die mir aus anderen deiner Bücher längst ans Herz gewachsen sind. Hast du denn eine eigene Lieblingsfigur unter all deinen Bilderbuch-Charakteren?

Daniela:

Hmm, schwierig zu sagen. Natürlich sind die Figuren, die schon viele Jahre unterwegs sind, auf die man schon unzählige Rückmeldungen bekommen hat, sei es bei Lesungen, über Rezensionen, Leserbriefe etc., besonders nahe. Das sind in meinem Fall vor allem die Figuren aus den Krokodil- und-Giraffe-Bänden oder die Crew aus „Nasebohren ist schön“, beide im Thienemann Verlag. Ich geb mal nen Link dazu: http://www.thienemann-esslinger.de/thienemann/autoren-illustratoren/autordetail-seite/daniela-kulot-106/ Und dann sind da auch die Neuen. Die, die man sich in den letzten Jahren erarbeitet hat, mit denen man einen anderen Weg beschritten hat, die, die dann auf ein ganz neues Publikum stoßen. Das sind meine Figuren in den Reime-Pappbüchern im Gerstenberg Verlag. Aber ganz ureigentlich gibt es keine Lieblinge, weil es eben auch keine Nichtlieblinge gibt. Jeden liebe ich auf seine oder ihre Weise. Und hier auch der Link: http://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=autorendetail&adrzif=31826 

Konstanze:

Gerade, wenn ich so Figuren sehe wie Krokodil und Giraffe, habe ich das Gefühl: die beiden kenne ich. Nicht, dass Krokodile und Giraffen in meiner Nachbarschaft wohnen, aber Menschen, die so ähnlich sind. Solche „Typen“ eben. So fantasievoll deine Figuren sind, wie viel stammt bei dir aus der Wirklichkeit, aus dem dich umgebenden Alltag?

Daniela:

Wirklichkeit und Fiktion vermischen sich sehr. Die Figuren und deren Umgebung sind natürlich Fiktion. Aber die Gefühle, die sie füreinander hegen, denen versuche ich ganz genau nachzugehen. Beim Zeichnen stelle ich mich manchmal vor den Spiegel, stelle die Szene nach und versuche, mich ganz genau hineinzufühlen, wie ich in einer Situation schauen und mich bewegen würde. Dann wird das plötzlich sehr real. (Und versuch jetzt bloß nicht, ein Beweisfoto haben zu wollen 😉 ) Auch in die Landschaften und in die Umgebung fließen manchmal reale Bilder mit ein. Als ich das Häuschen von Krokodil entwickelte, war ich gerade in Griechenland auf Santorin. Die Häuser dort haben mich so fasziniert, dass ich mir dachte, in so einem Haus muss das Krokodil wohnen.

Konstanze:

Nun wissen wir, wie du dir für die Gefühlsausdrücke deiner Figuren selbst Modell stehst… Wie aber zauberst du diese dann auf Papier? Oder auf den Bildschirm?

Daniela:

Wenn ich die Figuren entwickle, mache ich erst mal eine ganze Menge Skizzen. Wobei ich meistens schon eine ziemlich genaue Vorstellung habe, wie die Figuren aussehen sollen. Trotzdem probiere ich verschiedenste Varianten aus, um dann, wie in den allermeisten Fällen auf die erste Idee zurückzukommen. Wenn die Figuren „stehen“, geht es darum, sie zum Leben zu erwecken. In der Buchillustration stehen sie ja immer im Kontext zur Handlung, bzw. zur Geschichte. Da müssen dann die Bewegungsabläufe, die Körperhaltung, die Konstellationen zueinander, die Blickrichtungen stimmen. Wenn z.B. zwei Figuren miteinander sprechen, müssen sie sich genau ansehen. Das funktioniert nicht, wenn der Blick des einen, einen halben Millimeter am anderen vorbei geht. Und dann geht es ja auch um die Umgebung. Hier geht es um eine genaue Planung. Wie stehen die Figuren im Raum? Wie groß sind sie im Format, etc. Da folgt dann das sogenannte Storyboard. Ich zeichne die ganze Geschichte in Briefmarkengröße, um dort den Handlungsblauf, aber auch die Komposition der zukünftigen Bilder zu notieren. Erst danach gehe ich ins Originalformat.

Konstanze:

Was sind deine Farben, deine Striche, deine Skizzen?

Daniela:

Meine Skizzen mache ich immer mit dem Bleistift, der ist weich, man kann den Strich ausradieren, oder mit stärkerem Druck überzeichnen. Da ist viel Spontanität drin. Heutzutage scanne ich meine Zeichnungen ein, die Farbgebung erfolgt dann am Rechner. Wobei man sich das nicht als etwas unkreatives vorstellen darf. Ich gehe da genauso vor, wie wenn ich auf Papier malen würde. Ich arbeite mich vom Hintergrund zum Vordergrund vor, versuche aber immer die gesamte Farbkomposition des Bildes im Auge zu behalten. Dann gehe ich farblich immer mehr ins Detail, bis das Bild dann „fertig“ ist. Fertig in Anführungsstrichen, weil man immer weiter machen könnte, aber irgendwann muss man halt doch beschließen, dass ein Bild fertig ist.

Konstanze:

Wie gehst du vor, dass die Bilder so lebendig und strahlend werden?

Daniela:

Das ist etwas, das ich selbst schlecht beschreiben kann. Ich versuche alles in meine Bilder hineinzulegen und bin mit Herz und Seele bei ihnen. Dass die Bilder strahlen und lebendig sind, kann ich nur hoffen. Schön, wenn es auch so ankommt.

Konstanze:

Und ob es das kommt! Ganz besonders wunderbar. Du machst auch eine Menge Bilderbücher, die man vielleicht eher als Sachbücher für die ganz Kleinen bezeichnen könnte… Dein ABC-Buch, ZUSAMMEN, das neue Buch über die Uhrzeiten oder auch die „Reim dich“-Bücher könnte man hier nennen. Bücher, in denen du eben ein Thema bearbeitest. Was machst du lieber? Geschichten erfinden? Oder kleinen Kindern die Welt erklären?

Daniela:

Interessant, dass du die genannten Titel als „eher Sachbücher“ bezeichnest. Darauf wäre ich gar nicht gekommen. Ich nenne sie insgeheim für mich Episodenbücher, was es aber auch nicht richtig trifft. Episoden deshalb, weil jede Seite eine kleine Geschichte für sich erzählt, die aber im Zusammenhang doch wieder ein Ganzes ergibt, wie etwa den Tagesablauf eines Kindes von früh bis spät in WIEVIEL UHR IST ES NUR, oder das leidige Thema „Ins Bett gehen“ in REIM DICH NETT INS BETT und ZÄHL DICH NETT INS BETT. Was mich an diesen Büchern besonders reizt, ist das Spiel mit Worten und Reimen. Das ist es, was diese Bücher von meinen erzählenden Bilderbüchern unterscheidet. Oft ist es der Reim, der einen auf Absurdes oder Ungewöhnliches bringt. Denn was reimt sich schon auf Pferd? Da gibt es nicht viel. Und so entstehen Sätze wie „Dann kocht dir das Pferd-Spaghetti am Herd“.

Konstanze:

Oder: „Im Juni reift am Baum die Kirsche. Die Amseln freut’s – doch nicht die Hirsche“. (Das Bild dazu ist köstlich!)

Daniela:

Ich gehe also umgekehrt vor wie ein Dichter. Der Dichter oder Poet versucht einen Inhalt in Reimform zu fügen, ich versuche aus den Reimen einen Inhalt zu kreieren, was dann automatisch sehr komisch werden kann. Und nun fällt mir ein, wie man diese Art meiner Bücher vielleicht nennen könnte: Sprachspielgeschichten. Naja… oder auch nicht.

Konstanze:

Doch unbedingt! Das trifft es super!

Daniela:

Aber zu deiner eigentlichen Frage, was ich lieber mache: Natürlich mache ich beides gerne. Ganz ehrlich: bei mir ist es so, die Geschichten kommen, wie sie fallen. Ob ich sie in Reimform schreibe, oder erzähle, hängt ganz oft von einer spontanen Stimmungslage ab. Hier gibt es zu den Büchern, von denen wir gerade sprechen noch ein bisschen Ansichtsmaterial: https://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=autorendetail&adrzif=31826

Konstanze:

Das ist alles sehr, sehr spannend, liebe Daniela. Hab Dank für diesen Einblick in deine Arbeit. Da bleibt mir erst mal nur noch eine weitere Frage: An was für Bildern, Figuren und Geschichten arbeitest du aktuell? Dürfen wir uns bald schon auf Neuheiten aus dem Hause Kulot freuen?

Daniela:

Ja, Neuheiten gibt es schon im Januar. Da erscheint bei Thienemann „Wir sind erste Klasse!“, ein Buch über den ersten Schultag. Jedes Kind wird mit seinem Namen, seinen Ängsten, Hoffnungen und Fähigkeiten zum ersten Schultag vorgestellt. Von A wie Anton bis Z wie Zora. Natürlich spiele ich auch hier wieder mit den Anfangsbuchstaben im Text, so dass nebenbei schon das Alphabet nahegebracht wird. http://www.thienemann-esslinger.de/thienemann/buecher/buchdetailseite/wir-sind-erste-klasse-isbn-978-3-522-45881-8/ Und dann erscheint bei Gerstenberg das Pappbilderbuch „Lea lernt Schleife binden“. Es hat sogar eine echte Schleife drauf zum Üben und eine kleine Bildanleitung am Schluss. https://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=detailkinderbuch&url_ISBN=9783836959308

Auch im Herbst gibt es eine Überraschung: so viel kann ich schon verraten, es wird der etwas andere Adventskalender sein, ebenfalls bei Gerstenberg. Und nun, die Projekte, an denen ich gerade arbeite, gedeihen. Leider kann ich darüber noch nichts verraten, nur so viel: auch 2019 wird es wieder einiges Neues geben.

Konstanze:

Ach, wunderbar, das klingt alles schon wieder phänomenal schön und soo gut durchdacht. Wir freuen uns jetzt schon und sind sehr gespannt. Dir weiterhin frohes Schaffen! (bei dem wir jetzt nicht länger stören! )

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert