Die drei ???: LESEWEIS® über die Erfolgs-Reihe

Das Konterfei von Alfred Hitchcock prägte von Anfang an die Buchrücken der Reihe
„Mit den besten Empfehlungen… Ständig scheine ich etwas zu empfehlen oder vorzustellen: Fernsehsendungen, Filme und Bücher voller Geheimnis, Spuk und Spannung, damit meine Freunde etwas zum Gruseln haben. Diesmal nun stelle ich drei Jungen vor, die sich ‚Die drei Detektive‘ oder ‚Die drei ???‘ nennen, in einem goldbeschlagenen Rolls-Royce umherkutschen und allen möglichen Geheimnissen, Rätseln und dunklen Zusammenhängen auf der Spur sind. Reichlich sonderbar, nicht wahr?“
- Alfred Hitchcock in Die drei ??? und das Gespensterschloss. 

Seit Jahrzehnten ein Reihen-Phänomen

Ich glaube kaum, dass ich übertreibe, wenn ich sage, dass die Buchreihe über die drei Detektive Justus, Peter und Bob aus dem kalifornischen Rocky Beach ein Phänomen ist. Gestartet als Krimi-Bücher für Kids 1964 in den USA (und vier Jahre später bei uns), wurde sie vor allem dann zum spezialgelagerten Sonderfall, als sie dort in den frühen 1990er Jahren nach 56 Bänden auslief, dafür jedoch (seit 1993) in Deutschland erst so richtig loslegte. Deutsche Autor:innen übernahmen das Schreiben der Serie. Sie ist bis heute ein deutscher Erfolgsschlager.* Ganz abgesehen von der irgendwann neu hinzutretenden Reihe für jüngere Leser (Die drei-???®-Kids) und den vielen Spielen und genialen Detektiv-Ausstattungen, die allesamt aus dem Kosmos-Verlag stammen, sind die klassische schwarze Buchreihe und vor allem die entsprechenden Hörspiele, die das Europa-Label auflegt, heute so gefragt wie nie. Und soweit ich das sehe, sind alle Episoden bis heute (irgendwie) lieferbar. Ich musste einfach mit dem Kosmos-Verlag über Die drei ???® sprechen. Hier könnt ihr das LESEWEIS®-Interview mit Kosmos nachlesen.

* Ich schreibe diesen Text im August 2021, dieses Jahr ist der 219. (?) Band der Reihe erschienen. Falls ich mich nicht verzählt oder etwas übersehen habe! 😉 Damit meine ich ausschließlich die klassische Reihe, ohne die ebenfalls sehr erfolgreichen Kids, ohne die Sonderbände… Im Schnitt macht das drei Bände/Jahr, wobei derzeit eher mehr Bände in einem Jahr erscheinen.

© Kosmos-Verlag — Lest mehr in meinem Interview mit dem Verlag

Ich weiß nicht, wer durchgängig Fan gewesen ist, keine Folge ausgelassen hat und ganz klar durchblickt, wie viele Bände es denn nun wirklich in der Erzählfortsetzung gibt und vor allem: in genau welche Reihenfolge sie gehören. Doch ist diese Frage, deren Komplexität der Wikipedia-Artikel über Die drei Fragezeichen ausführlich erörtert, (verblüffenderweise) zweitrangig. Zwar setzt sich die Geschichte im Großen und Ganzen fort, doch jede Episode steht genauso gut für sich. 

Die Reihe ist älter als ich. Zwischendurch dachte ich, ich sei zu erwachsen dafür. Bin jedoch schon zweimal wieder eingestiegen, da mich selbst als Erwachsene das Schicksal der drei Jung-Detektive nicht loslässt. Erst kürzlich interviewte ich für einen Artikel eine Managerin, die mich wissen ließ, dass sie in ihrem hektischen Leben zum Entspannen regelmäßig zu den Bänden der drei Fragezeichen greife. Auch ich habe daraufhin endlich wieder los gelesen. Und die Reihe fasziniert mich ungeschmälert. Woran liegt’s? Bevor wir uns das näher überlegen, zunächst mal die Empfehlung der leseweisen „Lesemacherin“ (Stiftung Lesen®) an Eltern:

LESEWEIS® empfiehlt Die drei ???® für junge Leser ab 10-12 Jahren (nach oben hin offen.) Lasst eure Kinder in diese Buchserie einsteigen. Mit welchem Band, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die Krimi-Reihe ist spannend, gruselig, aufregend, jedoch nie brutal oder verstörend. Die schwarzen, einfach klasse gestalteten Einbände mit den bereits berühmten Bildern der Illustratorin Aiga Rasch, lassen Düsteres erwarten. (Lest dazu mal unbedingt den Wikipedia-Artikel! ) und erfahrt, wie man sich doch irren kann, wenn man glaubt, die Inhalte seien „eher männlich“… Die Illustratorin gestaltete die Bände bis 1999 selbst, doch ihrem Konzept ist man bis 2021 treu geblieben.) Weshalb es (gerade auch für Jungs) einfach cool ist, diese Bücher zu lesen. Primär handelt es sich hier um die Geschichte(n) dreier wirklich sympathischer Jungen im sonnigen Kalifornien, die sich durch unterschiedliche Begabungen auszeichnen, alle drei das Rätselhafte lieben, und auf diese Weise kniffelige Fälle lösen. Die Bände sind alle ca. 120-140 Seiten lang, unkompliziert geschrieben, also auch gut zu lesen. Und schnell möchte man mehr. Was dem Lesen nur dienen kann. Nicht nur nebenbei erfährt man viel Wissenswertes, sei es über Sport, über Historie, über Filmtechnik, über Sagen und Legenden verschiedener Regionen der Erde, über Sekten, über Kunst und Juwelen… Die Drei ???® fördern neben allem Lesevergnügen, das sie bieten, das eigene logische Denken und erweitern das Weltwissen.

Das Geheimrezept: Drei Jungs, ein Schrottplatz, Hollywood und Alfred Hitchcock höchst persönlich

Die wahre Faszination, das, was einen wirklich an die Reihe fesselt, sind meiner Ansicht nach noch nicht einmal die spannenden Fälle. Obwohl es ohne diese selbstredend nicht ginge. Doch was den Charme einer Serie ausmacht, ist ja stets das, was sich wiederholt, sowie das, was man beim Sich-Weiterentwickeln beobachten kann. Somit sind es insbesondere die Figuren, die uns in Bann ziehen: der dickliche, stets hungrige, doch diamantenklar denkende Justus Jonas, Chef des Trios, der über ein phänomenales Gedächtnis und große Sachkenntnis verfügt, sich lediglich körperlich nicht allzu flott bewegt; dann der athletische Peter Shaw, zweiter Detektiv, der zwar mutig ist, sich aber vor Phänomenen der geisterhaften Art fürchtet, egal, wie sehr ihn Justus seit bald 60 Jahren zu überzeugen versucht, dass es unerklärliche Erscheinungen nicht gibt — Peters Gruseln ist und bleibt legendär; und schließlich gibt es noch Bob Andrews, der als Dritter das Team vor allem durch seine Recherchen unterstützt und außerdem das Archiv des Detektivtrios pflegt. Für’s Lesen und Schreiben, so könnte man sagen, ist Bob verantwortlich. Die drei Jungs sind Freunde, sie agieren und sie halten zusammen. Sind loyal, fair, witzig und gewitzt. Jeder von ihnen ist auf seine Weise unverwechselbar und charismatisch. Und doch sind sie wie du und ich, und jeder Leser erkennt sich in einem von ihnen wieder. Helden, mit denen man sich als junger Leser leicht und gern identifiziert. Sie arbeiten Hand in Hand. Es ist spannend, über die Reihe hinweg zu lesen, wie sie sich von technikbegeisterten Jungs zu autofahrenden jungen Ermittlern entwickeln, die mit wachsender Souveränität spezialgelagerte Sonderfälle lösen. 

Web-Tipps
Auf der Seite des Kosmos-Verlag, bei dem alle regulären Die Drei ???® - Bücher erscheinen (er hat sich aus der Frankh’schen Buchhandlung entwickelt, die die ersten Bände in den 60ern/70ern herausgab), könnt ihr viel über die Reihe sehen und nachlesen. So auch mal alle Bände, die derzeit neu lieferbar sind:  oder mal eben alle lieferbaren Titel aus der Feder von André Marx (meinem Lieblingsautor der Reihe). Und da die Seite eine Super-Suchfunktion hat, findet ihr hier zum Beispiel auch sämtliche Titel als Buch oder Hörbuch oder englischsprachige Ausgabe, die Robert Arthur geschrieben hat — der eigentliche Erfinder der Serie.  Womit beweisen wäre, dass tatsächlich alle Drei ??? - Bände lieferbar sind! 

Auf der Seite dreifragezeichen.de, die durch das Europa-Label von Sony Music Entertainment gefüttert wird, gibt es viel Informatives rund um die Bücher und Geschichten zu sehen und zu lesen. Hier werden die Fans stets auf dem Laufenden gehalten. Und erhalten mehr Durchblick dank (durchaus schon älterer, doch immer noch aufschlussreicher) Interviews. Sehr spannend finde ich das Interview mit André Minninger, der nicht nur für die Buchserie schreibt, sondern aus dessen Feder auch die Drehbücher für die Hörspiele  sind.  Reinschnuppern lohnt sich richtig. Und mit Neuerscheinungen bleibt ihr auf dem Laufenden. (Leider ohne direkte Suchfunktion.)
© Kosmos-Verlag

Eine weitere „Hauptfigur“ der Reihe ist der Schrottplatz von Justus’ Onkel Titus Jonas, auf dem die drei Jungs unter einem Haufen Gerümpel in einem längst vergrabenen alten Wohnwagen völlig versteckt vor der Außenwelt ihre Zentrale haben. Was Herrlicheres kann man sich als abenteuerdurstiges Kind kaum vorstellen. Unter-schrottige Geheimgänge führen zur Zentrale, die technisch brillant ausgestattet ist und sogar über ein Periskop verfügt, mit dem die drei, gut versteckt, beobachten können, was auf dem Schrottplatz im Gange ist. Das Kinderspiel par excellence: der versteckte Geheimtreff inmitten des alltäglichen Zuhause-Geschehens. Keiner weiß, wo du bist. Keiner weiß, was du gerade austüftelst. Noch dazu hast du hier dein eigenes Telefon, dein eigenes Fotolabor, mittlerweile natürlich auch deinen eigenen Computer. Und keiner von den Erwachsenen weiß es. Ich halte diese Zentrale im alten, verborgenen Wohnwagen für einen genialen Trick des ersten Autors und Erfinders der Reihe, des Amerikaners Robert Arthur. Solche Dinge ziehen einen beim Lesen unwiderstehlich in die Handlung hinein, wecken und befriedigen die kindliche Sehnsucht nach Abenteuer und Geborgenheit zugleich und sorgen für die richtigen Entspannungsmomente in jedem einzelnen Band. Treffen sich die drei Detektive zur Lagebesprechung in ihrer Zentrale, darf der Leser sich eine Weile zurücklehnen und die aktuellen Geschehnisse rekapitulieren. 

Ein anderer genialer Kniff Robert Arthurs war die Verbindung, die er zwischen der Serie und Hollywood, resp. Alfred Hitchcock herstellte. Dem damals in den 60er Jahren äußerst populären Filmregisseur und Altmeister des Grusels. Sein Konterfei und seine „Empfehlung“ war in jener Zeit für viele Buchreihen und Sendungen gefragt. Und gern stand der kleine Mann mit dem charakteristischen Profil dafür Pate. So auch für diese Jugendbuch-Serie, die er allerdings nie selbst geschrieben hat, tatsächlich aber zu Beginn herausgegeben hat. Diese, heute würde man sagen fast „virtuelle“, Verbindung zu Hitchcock brachte zudem von Anfang an den Glamour von Hollywood, Stummfilm-Stars, Tricktechniken des Films und Ähnliches in die junge Serie ein — ohne Zweifel ein zusätzlicher Reiz. Hitchcock tritt in den ersten Bänden regelmäßig selbst als Figur auf, kommentiert das Vorgehen der Jungs, gibt Hinweise, lässt sich am Ende alles zusammenfassen. Die Jungen lösen ihren ersten Fall explizit für ihn. (Dieser ist übrigens „Das Gespensterschloss“ und nicht „Der Super-Papagei“, mit dem die Hörspiel-Reihe kurioserweise startet…)

Wie Alfred Hitchcock in die Serie kam, wie er dann aber wieder herausgenommen wurde, und das sogar rückwirkend bis zu Folge eins, könnt ihr prima bei Wikipedia nachlesen.

Das Rätsel der Zeit

Dass die Serie nach 56 Jahren (Stand 2021) immer noch für Kinder ab 10/12 Jahren zu empfehlen ist (und nicht für Senioren Mitte Sechzig, abgesehen natürlich von den treuen Fans), dass sie zudem immer brandaktuell ist, ist einem weiteren Phänomen der Reihe geschuldet. Die drei Jungs werden in all den Jahren und Folgen kaum älter. Vielleicht sind sie zu Beginn 13, heute 16? Das wird nie so ganz genau gesagt. Klugerweise halten sich die Autor:innen da bedeckt. Doch sicher gehen Justus, Peter und Bob immer noch zur Schule. Technisch hat sich ihre Welt bombastisch weiter entwickelt. Während sie in der Episode vom Geisterschloss noch mit tragbarem Tonbandgerät durch die Gegend laufen und Walkie-Talkies voller Stolz zum Einsatz kommen, gehen sie in den aktuellen Bänden wie selbstverständlich mit Internet und Handy um. Das Schöne ist — und das gehört ganz einfach in die Wunderbare Welt der Kinderliteratur — das stört hier keine:n wirklich. Die Serie ist für heutige Kinder so topaktuell wie für die „alten“ Leser:innen und aus ihrer Erfahrungswelt heraus geschrieben. Wer zu den alten Bänden zurückgreift, begibt sich auf einen köstlichen Nostalgietrip. Die Helden bleiben so jung wie eh und je. 

Es ist sogar noch komplexer. Zwischendurch sind die Detektive in ein paar Bänden doch mal etwas älter; da das aber nicht wirklich gut ankam, sind sie klammheimlich wieder in ihre unbestimmte Schuljungen-Jahre zurückgeschlüpft. Auch das funktionierte problemlos.

Extra-Buchtipps


 
Wer die ganze Reihe überblicken und viel von den Hintergründen der Drei-Fragezeichen-Reihe erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch Die Welt der drei Fragezeichen. Hintergründe, Fakten und Kuriositäten aus 50 Jahren von C.R. Rodenwald. Hierzu gibt es einen Trailer bei You Tube. Christian Rodenwald erzählt außerdem in einem Interview über sein wirklich sowohl fundiertes wie faszinierendes Buch, das sich kein alter Drei-???®-Fan entgehen lassen sollte.

Auch dieses Buch über die Drei-Fragezeichen-Serie gibt es als Hörbuch, neun Scheiben lang und äußerst unterhaltsam, da das Hörbuch im Stil der Drei-Fragezeichen-Hörspiele gemacht ist. Für Fans ein echtes Muss!

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Und Fan, Autor und Illustrator Christopher Tauber, der auch schon einige Graphic Novels zu den Drei Fragezeichen geschaffen hat, hat noch etwas gewagt: Eine Graphic Novel, in der die drei Fragezeichen zu Männern im mittleren Alter herangereift sind. Rocky Beach ist ein beeindruckendes, ja wehmütiges Werk für Fans der Reihe, das aus der Reihe bricht, weil es seine Helden hat altern und auseinander driften lassen. Das Flair der Reihe jedoch ist da und fängt auch die drei Männer wieder ein… Wir haben es hier ausführlich besprochen. 

Eine Vielzahl von Autoren

Dass es nicht Alfred Hitchcock ist, der die Serie schreibt, haben wir bereits geklärt. Dass die Amerikaner irgendwann aufhörten, weitere Die drei ???® -Bände zu schreiben, ebenfalls. Tatsächlich wird die Serie von einer ganzen Reihe wechselnder Autoren und Autorinnen geschrieben, und das war auch schon so, als die Serie noch ganz in US-amerikanischer Hand war. Auch bei uns schreiben zeitgleich verschiedene Menschen an der Reihe. Und bringen damit unterschiedliche Interessen in die Serie ein. Das tut meiner Ansicht nach der Reihe ganz besonders gut. Würde sich ein einzelner Autor sämtliche Abenteuer der drei Fragezeichen ausdenken, würden sie doch irgendwann nach Schema F verlaufen, ausgelutscht sein. So wie sich unterschiedlichste Klienten mit unterschiedlichsten Anliegen an die Detektive wenden, so legen die Autor:innen unterschiedlichste Schwerpunkte für ihre Stories. Die Charaktere der Jungs und einiges andere sind vorgegeben. Das verbindet die Folgen der Serie problemlos. Die Abenteuer sind stets neu und prickelnd, oft verblüffend. Das verdanken wir den verschiedenen Verantwortlichen. 

Ja, vielleicht darf ich mich Altmeister Alfred Hitchcock anschließen und sagen, dass wirklich so einiges sonderbar ist an den drei Jungs, die sich „Die drei Fragezeichen“ nennen und der Serie, die ihre Geschichten erzählt. Doch genau deshalb sind sie Kult. Und so lesenswert und stets willkommen wie Kommentare guter, alter Freunde. 

© Wilhelm