Barbara van den Speulhof im Gespräch mit Konstanze Keller

LESEWEIS Konstanze Keller:

Sehr geehrte Barbara van den Speulhof, Sie haben eine bezaubernde Schutzengelgeschichte geschrieben, die unsere Kinder jetzt schon lieben. Nun mehren sich die Fragen der Kinder, ob es Schutzengel wirklich gibt. Eine berechtigte Frage in unserer abgeklärten Welt, wie ich meine. Können Sie den Kindern dazu etwas sagen?

Barbara van den Speulhof:

Erst einmal: vielen Dank. Es freut mich natürlich sehr zu hören, dass die Kinder das Buch mögen. Und zu Ihrer Frage: ja. Ich glaube, dass es Schutzengel wirklich gibt. Es ist doch schön, wenn man sich beschützt fühlt. Schon als Kind hatte ich immer das Gefühl, nicht allein unterwegs zu sein. Ich glaube sowieso, dass vieles existiert, das man nicht mit eigenen Augen sehen kann. Sonst könnte ich wahrscheinlich keine Bücher schreiben und mir Geschichten für Kinder ausdenken. Es gibt übrigens auch Schutzengel ohne Flügel. Das sind gute Freunde, die für einen da sind, wenn man sie braucht. Die zuhören, wenn man reden will. Die schweigen, wenn man nichts hören will. Die einen trösten, wenn es einem schlecht geht. Ich finde, jeder Mensch braucht mindestens einen Schutzengel. Mit oder ohne Flügel.

LESEWEIS Konstanze Keller:

Da gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Sind es denn die Schutzengel mit Flügeln, die Ihnen die wunderbaren Ideen für Ihre Geschichten einflüstern? Sind es die Freunde? Oder hören Sie da ganz allein nur auf sich selbst? Und dürfen Schutzengel – mit oder ohne Flügel – schon vorab Kapiteln und Szenen lauschen? Oder behält eine Schriftstellerin alles für sich, bis es druckreif ist? Ich stelle mir vor, dass es schwer ist, neue Szenen für sich zu behalten, gerade wenn die Welt um einen herum vor netten Wesen nur so flattert!

Barbara van den Speulhof:

Wo die Ideen herkommen? Mal von links, mal von rechts. Mal von oben oder unten. Gern liegen sie auch auf dem Weg rum und warten darauf, dass ich sie aufhebe. Ich hatte schon Ideen, die kamen sogar mit dem Fallschirm geflogen und landeten direkt auf meinem Schreibtisch. Das ist natürlich ein Glücksfall. Das muss ich dazu sagen. Auf jeden Fall ist es gut, wenn man Augen und Ohren aufhält. Denn manche Ideen sind so winzig, dass man sie kaum sieht. Manche sind sogar komplett unsichtbar. Die kann man nur spüren. Aber mit ein bisschen Übung kann das jeder. Letztendlich ist es wie bei den Menschen. Die einen sind laut und wild, die anderen leise und unscheinbar.Meistens behalte ich die Ideen erst einmal für mich. Ich rede einfach nicht gern über halb fertige Geschichten. Da bin ich eher wie eine Glucke, die erst einmal brüten und ihre Küken zum Schlüpfen bringen will, bevor sie in die Welt spazieren.

LESEWEIS Konstanze Keller:

Das klingt wunderbar. Und ehrlich gesagt ist bei mir auch gerade so ein kleiner Fallschirm auf der Schreibtischplatte gelandet. Ha! Gerade, als ich Ihre Antwort gehört habe. Danke, dass Sie mich und die Kinder daran erinnern, die Augen für die kleinen und großen Ideen immer offen zu halten. Kaum glaubt man an sie, werden sie sichtbar.

Und nun ganz im Vertrauen, liebe Frau van den Speulhof, ist es wahr, dass Ihnen Ihre Arbeit – die mit den Ideen und dem Hüten und Brüten und dem Schreiben für Kinder – einfach unglaubliche Freude macht? Die Kinder möchten wissen, ob es Sie im Bauch kitzelt, wenn Sie schreiben? Ob sie manchmal mit Schreiben gar nicht nachkommen, weil die Gedanken im Kopf nur so purzeln und ob Sie Herzklopfen haben, wenn Sie ein fertiges Manuskript vor sich liegen haben?

Barbara van den Speulhof:

Ja, das stimmt. Das Schreiben für Kinder macht mir nicht nur Freude, es macht mich glücklich. Auch wenn es mitten im Schreibprozess mal schwierig ist und ich feststecke und manchmal denke, dass ich nicht weiterkomme. Bauchkitzeln hab ich, wenn mir eine Idee zufällt, die ich auf Anhieb mag. Das fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich ein Geschenk kriegen, obwohl ich nicht Geburtstag habe. Wenn das Schreiben gut und flüssig läuft, habe ich eher das Gefühl, dass ich selbst gar nicht da bin. Nicht am Schreibtisch und nicht vor dem Computer. Da bin ich in der Geschichte verschwunden. Entweder als Beobachterin oder als eine der Personen, die im Buch vorkommen. Das ist auch ein sehr schönes Gefühl. Und es stimmt auch, dass ich manchmal nicht hinterher komme mit dem Schreiben. Ganz blöd ist, wenn eine Idee plötzlich wieder weg ist und ich sie nicht rechtzeitig notiert habe. Wenn ein Manuskript fertig ist, dann ist es eher still und leer. Und diese Stille und Leere kann ich genauso genießen wie die Turbulenzen während des Schreibens. Verstehen Sie, warum mich meine Arbeit glücklich macht?

LESEWEIS Konstanze Keller:

Ich verstehe es nicht nur. Ich kann es spüren. Und ich glaube, nur wer im tiefsten Innern glücklich ist, kann wirklich gut für Kinder schreiben. Die Kinder spüren Ihre Freude in jedem Ihrer Bücher. Und deshalb frage ich Sie in ihrem Namen, in welcher Ihrer vor Leben nur so sprühenden Figuren wir am meisten von Barbara v.d. Speulhof wieder finden? In dem Pumkel mit dem Stummigiefeln? In Oma Dotti? In der eher schüchternen, aber stets wachsenden Pippa? In Valentina, ihrer jüngsten Heldin oder doch in der rotbeschuhten Mama Liebergott, einer meiner absoluten Lieblingsfiguren?

Barbara van den Speulhof:

Wahrscheinlich steckt in jeder der Figuren, die in meinen Büchern vorkommen, etwas von mir drin. Mal mehr, mal weniger. Aber auch von Menschen, die ich kenne oder die mir einmal begegnet sind und die mich begeistert oder beschäftigt haben. Selbst Leute, die ich nicht kenne, können mich zum Nachdenken bringen oder inspirieren. Wenn ich zum Beispiel mit dem Zug verreise, bin ich ungefähr eine Stunde vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof. Nur, um zu sehen, wer da unterwegs ist. Ich stelle mir vor, wo die Leute herkommen, wo sie hingehen, was sie arbeiten, wie sie leben, ob sie eine Familie haben oder allein leben. Ich überlege, welche Hobbys oder Haustiere sie haben könnten. Ich frage mich, ob sie zufrieden sind oder ich male mir aus, welches ihr größter Wunsch im Leben ist. Das ist eine schöne Übung für alle, die denken, sie könnten selbst keine Figuren entwickeln oder sie hätten wenig Fantasie.

LESEWEIS Konstanze Keller:

Das hört sich für mich so an, als würden wir durch Sie und Ihre Bücher bald noch viele spannende und liebenswerte Figuren kennenlernen und auch solche zum Zähne dran ausbeißen. Ich freue mich drauf und werde jedes Buch von Ihnen lesen. Das steht jetzt schon fest. Menschen und Geschichten … Das ist, was uns begeistert, was die Kinder begeistert – und was ganz offenkundig auch gute Kinderbuchautoren begeistert. Den Kindern werde ich weiter geben, dass die besten Geschichten aus gutem und fantasievollem Beobachten entstehen. Vielen Dank, dass Sie uns das alles so inspirierend erzählt haben.Eine ganz andere Frage jedoch haben die Kinder mich noch gebeten zu stellen – und das tue ich hiermit zum Abschluss unseres Gesprächs: Woher haben sie diesen tollen Namen „van den Speulhof“ – und was bedeutet er?

Barbara van den Speulhof:

Danke. Das ist viel Lob. Ich weiß gar nicht, ob ich so viel nach Hause tragen kann. Ich möchte noch eins ergänzen: Nicht nur das Beobachten ist eine Zutat, die zum Schreiben wichtig ist. Das Fühlen ist mindestens genauso wichtig. Im Grunde genommen sind alle unsere Sinne wichtig. Das Sehen, Hören, Spüren. Sogar das Schmecken und Riechen. Bei einer Figurenentwicklung kann man sich ruhig auch mal die Frage stellen, was die Person gerne isst oder was sie gern riecht. Rosenduft? Eine Meeresbrise? Gemähtes Gras? Frisch gebackenen Kuchen? Aber auch so etwas wie: Hat dieser Mensch Schweißfüße? Stück für Stück setzt sich dann das Puzzle um eine Figur zusammen und ergibt ein Bild, das mehr und mehr lebendig wird.

Zur Frage mit meinem Namen: Ich habe – es ist lange her – mit der Heirat den Namen von meinem Mann angenommen. Mittlerweile haben sich unsere Wege getrennt, und wir haben uns scheiden lassen. Den Namen habe ich aber auch nach der Scheidung behalten, weil unsere Tochter dann bei mir lebte und wir es schön fanden, unsere Zusammengehörigkeit auch weiterhin durch einen gemeinsamen Namen zu zeigen. Was der Name wirklich bedeutet, weiß ich nicht so genau. Jemand aus der Familie erzählte einmal, dass der Name – frei ins Deutsche übersetzt – bedeutet: die vom Spielhof. Das seien die Leute gewesen, die um den Kirchplatz herum gewohnt hätten. Und weil dieser Platz um die Kirche meist der größte Platz im Dorf, in der Gemeinde war, haben dort gern die Kinder gespielt. Daher: Spielhof. Ich weiß natürlich nicht, ob diese Geschichte stimmt. Aber ich gebe zu, sie gefällt mir gut.

LESEWEIS Konstanze Keller:

Liebste Frau von dem Spielhof, ich danke Ihnen von Herzen für dieses schöne, inspirierende Gespräch, in dem Sie mir und allen meinen Lesern sehr nah gekommen sind. Ihre Tipps für das Schreiben sind ebenso Tipps für ein ausgefülltes Leben und ich werde Sie möglichst vielen Kindern weiter geben. Auf bald wieder! Und ganz lieben Dank, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben!

 

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