von Birgit Hatzfeld
Teelichter in bauchigem Mosaikglas, Leuchten, sagenhaft bunt und magisch verspielt.
„Marokko“, sagt die Verkäuferin, „alles kommt direkt aus Marokko, auch die Leuchten dort hinten und die Ohrringe.“
„Auch die Schalen und Teppiche?“, will ich wissen.
„Ja, auch die.“ Sie lächelt mir zu – jugendlich frisch, vielleicht eine Studentin. „Studenten-Aktionstag“, sagt ein Schild, das eher unpassend neben einem silbernen Tablett mit einem grau-weißen Rosettenmuster befestigt ist. Nur einige Schritte weiter ist auch der Eingang zur Alten Universität, des „Domus Wilhelmiana“. Hm, lange her. Ein Vortrag, ein Konzert? Vermutlich Letzteres.
Ich versenke meinen Blick in leuchtende Farben und flackernde Wärme, in filigrane Muster und vielfältige Formen. Marokko, davon schwärmte auch immer ein Kollege.
„So ein unglaublich vielfältiges Land“, sagte er dann. Und „Jetzt kann ich endlich wieder nach Marokko fahren, um Schmetterlinge zu beobachten.“
Ein Königreich am Mittelmeer mit Zugang zur Wüste, das früher einmal französisches Protektorat war. Viel mehr weiß ich nicht über das Land.
Ich nehme eines der bunten Gläser in die Hand und bewundere die zarten Ornamente in weißer Farbe – ob man sie in die Gläser eingeschliffen hat? Ich stelle das Glas auf sein großes silbernes Tablett zurück, in den bunten Reigen seiner Artgenossen. Dieses Tablett gehört auf einen großen Tisch, um den viele Menschen sitzen, die miteinander feiern und lachen, in ihren Gläsern gekühlter Nanaminztee. Bald schon wird Couscous und Tajine, ein traditionelles nordafrikanisches Gericht, aus einem typischen Schmorgefäß gereicht, später Beghrir, Pfannkuchen mit Butter und Honig.
Ich lächle der Verkäuferin zu und frage mich, ob sie wohl schon einmal in Marokko war oder was sie mit diesen Schönheiten verbindet. Als eine andere Kundin kommt, die sich beraten lässt, gehe ich ein Stück zur Seite und lasse meinen Blick nach unten wandern. Einige der orientalischen Tablette lehnen seitlich an der Theke des Stands und spiegeln sich in einem großen, auf dem Boden stehenden Spiegel, der mit seinem Rahmen und seinem kuppelförmigen Abschluss der Spiegelfläche an einen Palast aus 1001 Nacht erinnert. Gibt es nicht ein marokkanisches Märchen, das von einem König erzählt, der eine Stadt bauen möchte, schön wie ein Paradies? Nun, dieser Stand hat etwas von einem Paradies.
Die Kundin packt eine der sagenhaften Leuchten ein und verlässt das Paradies selig und freundlich grüßend.
Irgendwie kann ich mich nicht trennen und suche drei kleine Keramikschalen aus, handbemalt und mit der gleichen Signatur beschriftet. Wo der Künstler wohl herkommt, der sie gestaltet hat? Ich lasse mir richtig viel Zeit bei der Auswahl meiner Schalen und schiele dabei immer wieder heimlich zu den Leuchten. Sieben weiß-türkis-blaue Lampen sind in einer Wellenform angeordnet, dich mich an ein Mobile erinnert. Besonders vor den dunklen Teppichen und dem Holzregal, von dem sie sich farblich abheben, hat das etwas zauberhaft Heimeliges. Sie erinnern mich ans Meer. Ans Meer. Ans … Meer.
Dieses Frühjahr wollten wir eigentlich in den Süden fahren, aber das Geld war knapp. Zu dieser Zeit dem Schmuddelwetter entfliehen – ein verwegener Gedanke! Casablanca im Dezember, wie im Film, aber in Farbe: Altstadt, Markt, Moschee, Palmen, Strand.
„Macht 10,50 Euro“, sagt die Verkäuferin und reicht mir meine drei kleinen Schalen, verpackt in Zeitungspapier.
„Danke“, sage ich – wohl sehr zögernd.
Sie schaut mich fragend an, mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Haben Sie noch einen Wunsch?“
Ja, viele, dieses Jahr mehr als sonst. Weltfrieden. Gesund werden. Eine schöne Reise. Im Meer schwimmen. Mich sorglos, frei fühlen. Mich ändern.
„Die Lampen in türkis, was kosten die?“
Der Preis, den sie mir nennt, ist hoch und wird mein Portemonnaie mit einem Schlag leeren. Aber diese Stimme im Inneren …
„Ich nehme sie“, höre ich mich sagen.
Als ich sie einpacke, lacht die Verkäuferin.
„Sie strahlen ja richtig“, sagt sie dann.
„Das“, sage ich voller Überzeugung, „muss an Ihren magisch bunten Lichtern liegen!“