von Rolf Thum
ADVENTS-RAP
Die Supermärkte bersten,
vom September an, dem ersten
Regale voll mit Spekulat’
ius und Nikläuse aus Schoklad’ Dominosteine, Marzipan,
locken Kunden, Kinder an,
Illustrierte weisen hin,
auf den baldigen Beginn,
der schlimmsten Zeit vom ganzen Jahr, die bald beginnt, ja, es ist wahr,
und sie geben manchen Tipp,
was jetzt topp ist und was hipp,
welche Farben, welcher Stiel,
out ist, was letztes Jahr gefiel –,
wenn der Dezember sich heranmacht, mit der Adventszeit
und dieser Wahnnacht!
Und wir grübeln und wir denken,
was wir andren sollen schenken,
schenken müssen, wir sind verpflichtet,
sonst sind wir nichts, sind wir vernichtet
vor den Augen unser Lieben,
die wir mitunter gar nicht lieben,
die wir mitunter sogar hassen,
an Weihnacht müssen wir uns fassen,
müssen ihnen Päckchen machen,
und dann füllen mit so Sachen,
die niemand braucht, die jeder hat,
ach, wir haben’s Schenken satt;
bevor die Päckchen mit den Schlaufen
fertig sind, müssen wir kaufen,
all den Plunder, Geld ausgeben,
Konsum ankurbeln, so will man’s eben,
das Weihnachtsgeld, wenn wir’s noch kriegen, muss doch in die Kassen fliegen,
boomt der Markt, die Wirtschaft wächst,
ach, es ist ja wie verhext,
wenn wir das alles nicht mehr wollen –
warum Tribut dem Mammon zollen?
Wir fragen uns, ganz ohne Spaß: Advent/Weihnacht
– war da nicht noch etwas?
Putzen, kaufen, kaufen, putzen, den Terminkalender nutzen, keine Zeit sinnlos verstreichen lassen, nicht erweichen
lassen, von all den Bettelbriefen, die uns täglich, erinnern wie doch alles kläglich,
ist auf dieser tristen Welt,
jeder will von uns sein Geld,
Kinderhilfswerk, Karitas, Tierschutzbund und weiß-ich-was,
weiß nicht, wo man spenden soll,
wir ham’s ja selber nicht so toll –
wieder putzen, wieder kaufen,
rennen, eilen, hechten, laufen,
sprinten, rasen, kreiseln, hecheln,
um sich selber drehn und röcheln,
und die verdammten Weihnachtsfeiern, immer dieses Runterleiern
alter Riten, Inhaltsleere,
wenn’s nur nicht immer’s Gleiche wäre – Tannenreisig auf den Tischen, Engelskitsch und auch dazwischen Aldi-Plätzchen, Aldi-Glühwein,
fragen wir, warum muss das sein? Fragen wieder – ohne Spaß:
Advent/Weihnacht – war da nicht noch etwas?
Der Adventskranz im November, hingerichtet für Dezember,
reicht schon lange nicht mehr aus,
der Christbaum steht deshalb im Haus, schon Tage vor dem Heiligabend,
das Argument, das ist erschlagend: fertig werden wollen wir,
deshalb fliegt er vor die Tür,
dieser Christbaum nach den Tagen, die wir feiern und uns plagen
mit fetten Essen, Kaffee, Kuchen
und all den lästigen Besuchen,
nochmals eilen, nochmals rasen,
Hektik pur, s ist nicht zum Spaßen, schimpfen, meckern, maulen, zerfen,
so tun als ob und wieder nerven,
streiten, schlichten, wieder streiten,
es scheint die schlimmste aller Zeiten,
dass ich mich fragend an den Kopf mich fass
Advent/Weihnacht – war da nicht noch etwas?
Und ist’s dann endlich überwunden, stehen wir wieder viele Stunden,
in den Läden, den Geschäften
und versuchen dort nach Kräften, Geldgutscheine einzutauschen,
die Geschenke umzutauschen, nochmal kräftig Geld ausgeben, nochmal (die) Konjunktur beleben, Christbaum wieder abgeräumt, Weihnachtsträume ausgeträumt, Besinnlichkeit erneut versäumt, Feiertage abgehakt,
genug für dieses Mal geplagt,
bis nächstes Jahr – wenn ich’s nicht verpass –
Advent/Weihnacht – da war doch noch etwas!
© R. Thum, 2012 / 2015
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