Das wahre Leben der Bauernhoftiere

Bücher klären auf. Hier ein Buch, das bislang in den Kinderbuchregalen gefehlt hat. Traurig. Wahr. Und dennoch schön. Bildersachbuch für leseweise Leute ab 4.

© Klett Kinderbuch

Im Märzen der Bauer…, ja, was eigentlich? Einmal im Jahr sind die Bauernhofgeschichten an der Reihe, wenn ich Kindern im Kindergarten vorlese. Es gibt so viele zauberhafte Bücher, die auf dem Bauernhof spielen. Doch manchmal frage ich mich, wo es die Bauernhöfe aus dem Bilderbuch eigentlich noch gibt? Standard sind sie längst nicht mehr. Und doch hoffentlich noch nicht so sehr ins Reich der Fantasie verbannt wie die Märchenschlösser der Prinzessinnen-Geschichten. Immer hätte ich mir für meine Vorlese-Reihe schon ein Bilderbuch gewünscht, das den Bauernhof zeigt, wie er heute wirklich aussieht. Ohne damit auch nur ein Kind vergraulen zu wollen. Ein Buch, wie ich es hier jetzt in Händen halte, das unverhohlen selbstverständlich davon spricht, dass auf Bauernhöfen Tiere großgezogen werden, damit wir sie essen können. Denn so ist es, und damit können, damit müssen auch moderne Kinder leben. Was wir auf natürliche Weise heute nicht mehr haben, nämlich, dass wir mit unserem Essen aufwachsen und genau wissen, wo es herkommt, holt dieses wunderbar illustrierte Buch auf seine Weise nach. Es zeigt schon auf den Buchinnendeckeln, worum es geht: Um Käse, Wurst, Putenbrustfilet, Butter, Eier, Pfeffersalami, Joghurt, Schokolade und Gummibärchen… und dann zeigt es in fotorealistischen Bildern, wie die Schweine, Kühe, Ziegen, Schafe, Hühner, Puten und Gänse heute gehalten werden. Wie sie transportiert werden. Zum Schlachter transportiert werden. Auf konventionelle Weise oder aber auf Bio-Höfen. Bilder und Text erzählen sachlich, wie es wirklich ist, ohne Grausamkeiten zu zeigen. Wenn man die Enge von Ferkelschutzkörben oder Tiertransportern oder die Tatsache, wie früh Kälbchen im konventionellen Milchbetrieb von ihren Müttern getrennt werden nicht als grausam erachtet.

Das Buch zeigt ehrlich, wie es abläuft, wenn es nach unseren Vorgaben abläuft. Wer davor schon den Kopf wegdreht, sollte es vor allem vor der Wirklichkeit (und deren Verstößen) und nicht vor dem Buch tun. Das Buch predigt nicht, es moralisiert nicht, es zeigt kein Leid. Es zeigt nur, wie es ist. Und dass es grundsätzlich fairer für die Tiere sein könnte, wenn wir alle „nur“ 1-2mal die Woche Fleisch verzehren würden. 

Ein Buch, das nicht predigt, Vegetarier:in zu werden; das jedoch ohne zu erschrecken zum Nachdenken und Reden einlädt und zu einer gesunden Veränderung. Seit Astrid Lindgrens „Meine Kuh will auch Spaß haben“ das wichtigste Kinderbuch über Nutztierhaltung. 

Lena Zeise: DAS WAHRE LEBEN DER BAUERNHOFTIERE

Klett Kinderbuch Verlag, 2020. Gebunden. 40 Seiten. Durchgängig farbig bebildert. ISBN 978-3-95470-240-4. 

Ab 4 Jahren.