von Emily Ziegler, 14 Jahre
Da lief er, der alte, gebückte Mann. Er hinterließ große Spuren im frisch gefallenen Schnee und blickte monoton auf den Boden. Seine braune Strickjacke hatte einige Löcher und er zitterte stark. Seine Wollmütze war ihm tief in das bleiche Gesicht gezogen, nur ein paar Strähnen seiner kohlschwarzen Haare konnte man noch sehen. Er kämpfte sich weiter durch die Kälte, den Blick noch immer auf den Boden gerichtet, bis er ein helles Leuchten sehen konnte. Die Häuser neben ihm waren festlich geschmückt und aus weiter Ferne konnte man Trompeten hören, die die schönsten Weihnachtslieder spielten. Er hob seinen Blick und lief etwas schneller dem Licht entgegen. Man roch schon den Duft von gebrannten Mandeln und Glühwein. Die Wärme eines kleinen Feuers konnte er auf seiner durchgefrorenen Haut spüren. Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Seine Augen spiegelten das bunte Licht wieder, das durch ein paar Lücken zwischen den Häusern schien. Er lief immer weiter, bis vor ihm die ersten Stände des Weihnachtsmarktes in der Stadt auftauchten. Er lächelte breit und sah sich um. Der Geruch von frischen Crêpes mit Schokolade und Keksen stieg ihm in die Nase. Er lief langsam durch die Gassen an den Ständen vorbei und sah sich den Schmuck für Baum und Haus näher an. Sein nächstes Ziel war ein kleiner, aber schön geschmückter Stand. Dort bestellte er sich einen Punsch und schlenderte weiter. Ab und zu trank er einen Schluck des warmen Getränkes in seiner Hand. Gekonnt ignorierte er die Blicke der Menschen um ihn herum, sie gingen ihm aus den Weg und sahen ihn abschätzig an. Er musste schlucken, aber daran war er gewöhnt, er hatte nicht die aller beste Rolle in der Gesellschaft. Immer weiter stapfte er durch den Schnee, der unter seinen Stiefeln knirschte. Er vernahm Getuschel um ihn herum, aber ließ sich davon nicht stören. Seine schwarzen Haare vielen ihm in das Gesicht, was ihn aber wenig störte. Kurz blieb er stehen und schloss die Augen. Er roch die vielen verschiedenen, leckeren Speisen, die wohlriechenden, warmen Getränke und er hörte das Jauchzen der fröhlichen Kinder. Neben ihm sah er ein lächelndes Kind, dass an der Hand seiner Mutter durch den Schnee stapfte. In der anderen Hand hatte es einen mit Schokolade überzogenen Apfel an einen Stil. Er fragte sich, ob er sowas als Kind auch mal gegessen hatte und musste automatisch lächeln, als das Kind ihn ansah. Er freute sich über dieses Lächeln des Kindes so sehr, dass ihm warm ums Herz wurde. Er setzte sich wieder in Bewegung und lief dem Trompetenklang nach. Angekommen an einem großen Platz staunte er. Man sah in der Mitte des Platzes eine Bühne auf der er Personen mit Trompeten, Posaunen und sogar einer Tuba und einem Horn standen und viele verschiedene Weihnachtslieder spielten. Um die Bühne herum stand eine große Menschenmenge, alle sahen lächelnd zu der Bühne und manche sangen sogar mit. Es herrschte eine wundervolle Stimmung. Sogar dem alten Mann könnte dies wieder ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern. Als die Bläser fertig waren löste sich die Menge auf und auch der Mann setzte seinen Weg fort. Er kam zu dem nächsten großen Platz und bewunderte die vielen Leute, die auf der großen Eisbahn Schlittschuh liefen. Er beobachtete einen Jungen, ungefähr 15 Jahre alt, der viele Sprünge ausführte und Pirouetten drehte. Sein Blick wanderte zu einen etwas kleineren Kind, das die Hand seines Vaters fest umklammert hatte und unsicher einen Fuß vor den anderen setzte. Als er etwas weitersah, erblickte er ein Kind, es war noch sehr jung, das versuchte seinen Schuh zu binden. Er wollte den Kind helfen und näherte sich. Angekommen fragte er das Kind, ob es denn Hilfe brauche. Das Kind sah ihn mit großen Augen an und nickte vorsichtig. Der Mann bückte sich, um dem Kind den Schuh zu binden, aber genau in diesem Moment kam die Mutter des kleinen Jungen. Sie musterte den Mann leicht skeptisch und zog ihr Kind ohne Kommentar weg. Er schaute den beiden nach, als sie in der Menschenmenge verschwanden. Das kleine lächeln erstarb.
Leicht traurig richtete er sich wieder auf. Schon immer zogen die Erwachsenen ihre Kinder weg, wenn er ihnen näher kam….und das nur wegen seinem Job. Er lief weiter und sah sich um. Seine Miene war wieder ausdruckslos und kalt. Auf dem nächsten Platz, dem Marktplatz der Stadt, stand ein riesiger Tannenbaum. Er war festlich geschmückt und ganz auf der Spitze war ein großer, leuchtender Stern. Dieser Anblick erwärmte sein kaltes Herz und ein ganz kleines Lächeln wanderte wieder auf seine Lippen. Er näherte sich dem Baum, unter dem viele Geschenke lagen. Ein Mädchen verteilte Süßigkeiten und lächelte breit dabei. Sie ging von Mensch zu Mensch, griff in ihren Beutel und holte Mandarinen, Nüsse und Schokolade raus. Als sie vor dem Mann ankam, musterte sie ihn und grinste ihn dann breit an. Bevor sie in ihren Sack griff sagte sie etwas, was den alten Mann noch lange verfolgte. Sie sprach: ,,Auch du, der dafür bekannt ist Kindern Leid an zu tun, hast etwas verdient. Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe, heute sollte niemand ausgeschlossen sein, nicht du, nicht die Leute, die vielleicht eine Behinderung haben und auch nicht die Leute, die auf der Straße um Geld betteln. Heute wollen wir zusammen feiern und glücklich sein, niemand soll zu kurz kommen. Nicht war Knecht Ruprecht?“